Alle Orte, die man knicken kann
die Reise?»
Das meinen Kenner
«New York ist nie hinausgekommen über ein Konglomerat von Kleinstädten.»
– Alistair Cooke, Autor
«Ich liebe das alte Jork an der Elbe mit seinen Obstbäumen und Fachwerkhäusern.»
– Elisabeth Flickenschildt, Schauspielerin
«Fuck me, fuck you, fuck this whole city and everyone in it.»
– Spike Lee, Regisseur
S an Francisco lebt von einem einzigen Hit», beklagte die Sängerin Courtney Love. Ihr Hit ist es nicht. Die Hippie-Hymne «San Francisco (be sure to wear some flowers in your hair)» wurde gerade komponiert, als Courtney geboren wurde. Seither ist es nicht nur der meistgespielte Song über eine Stadt, sondern laut Bürgermeister Gavin Newsom auch «die dauerhafteste kostenlose Werbung, die es je für eine Stadt gegeben hat». Und falsch ist diese Werbung obendrein.
Das relaxte Laid-Back-Gefühl, das die
foggy city
vor vierzig Jahren auszeichnete, hat sich längst verflüchtigt. Die Stadt liegt immer noch hübsch auf Hügeln überm kalten Pazifik, und der Nebel deckt die Slums an den meisten Tagen wohltuend zu. Doch die einst massenhaft eingewanderten Hippies und Beatniks und hoffnungsvollen Musiker und spirituellen Optimisten sind, wenn nicht gestorben, so doch krank und alt geworden. Arm waren sie natürlich von Anfang an, nur fiel das zu Beginn nicht so auf.
Jetzt wankt eine Menge ranziger Greise und Lumpenfrauen durch die Stadt, speziell in den abgehalfterten Vierteln nahe dem ehemals coolen Bezirk
Haight Ashbury
. Obdachlose, Dreck und Drogenkriminalität gehören hier schon länger zu den auffallendstenErscheinungen, der Geruch von Urin und Fäkalien zu den häufigsten Aromen – obgleich immer ein kühler Wind weht. Natürlich wird immer noch Marihuana geraucht, doch den Top-Platz nimmt San Francisco bei den Alkoholikern ein. Das muss den Besucher nicht stören, nein, überhaupt nicht, ist aber so auffallend, dass es doch stört. Bereits bei Kurztrips. Und die genügen, wenn sie überhaupt sein müssen.
Was muss man besonders meiden? Natürlich die berühmten Straßen. Auf jeden Fall zwei: diejenige über die
Golden Gate Bridge
und die
Lombard Street
. Lombard ist die krummste Straße und die meistgefilmte. Hier will jeder mal am Steuer gesessen haben. Deshalb winden sich zu jeder Tageszeit Schlangen von Leihwagen im Stop and go durch die steilen Serpentinen. Wenn es zu Unfällen kommt – was verblüffend häufig der Fall ist, weil wieder jemand versuchte, eine Filmszene nachzuahmen –, dann ist für einen Tag Schluss. Solche Tage (immerhin 127 im vergangenen Jahr) sind die schönsten im Leben der Anwohner.
Ebenso gestockt voll ist es beim
Ferry Building
und am
Fisherman’s Wharf
. Früher als alle anderen Hafenstädte begann San Francisco mit der Veredelung seiner trübsinnigen Wasserseiten. Seither wird an den Kais über Lautsprecher und von Straßenmusikern am laufenden Band «Sitting on the dock of the bay» intoniert. Und seither wird aus Chile importierter Fisch aufgetaut und als fangfrisch an die Touristen verbraten. Für diesen Nepp muss man sich auch noch anstellen, denn alle Busse kommen gleichzeitig und werden sofort durch nachrückende ersetzt, allerdings nur zwischen sieben Uhr morgens und zehn Uhr abends. Mitbringsel: Golden Gate auf Sammeltellern, T-Shirts und chinesische Armbanduhren sowie
I-was-a-prisoner-of-Alcatraz - T-Shirts
.
Alcatraz ist die ehemalige Gefängnisinsel in Sichtweite. Sie kann per Boot erreicht und besichtigt werden. Man sieht Zellenund die Fotos von Insassen und, am wichtigsten, kann sich hinter Gitterstäben fotografieren lassen. Eine weitere beliebte Folter ist
Chinatown
. «Eine richtige Reise muss quälend sein», schrieb der ortsansässige Autor Gary Snyder. Und da ist Chinatown mit seinen stinkenden Fischsuppen und vergammelnden Austern die erste Wahl. Dass ein Film von Roman Polanski den Bezirk im Titel führte, hat den Umsatz der Salmonellen-Take-outs enorm gesteigert, bis heute, obgleich nur eine einzige Szene des Films hier gedreht werden musste.
Wer einen Leihwagen hat, kurvt gewöhnlich noch die Küstenstraße (
Pacific Coast Highway
) entlang nach Norden, bis allen Mitfahrern schlecht ist. Bald wird klar, dass die Parkenden an den Aussichtspunkten nicht fotografieren, sondern kotzen. Die Möwen mögen das. Es gibt noch ein Getty-Museum, das man in Kauf nimmt nach dem Motto: «Wenn wir schon mal hier sind». Und eingemeindete Städtchen der Bay Area wie das slummige Oakland und das
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