Alle Rache Will Ewigkeit
ein nettes kleines finanzielles Polster«, riet Fisher Boyd. Er trank noch einen Schluck Wein und leckte sich nach der trockenen Säure die Lippen. »Sie haben großes Glück.« Er griff nach seinem Mantel und stand auf. »Ich werde die getürkten Versicherungsunterlagen mit der Post schicken. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, ich habe ähnliche Dinge schon häufiger gemacht, und niemand hat auch nur mit der Wimper gezuckt.« Er schlüpfte in seinen Mantel, dabei leuchtete das rote Futter auf, dann nahm er seinen Schirm und den Aktenkoffer. »Sollten Sie einmal meine Dienste benötigen, rufen Sie mich doch an.« Er machte eine Bewegung, als lüpfe er seinen Hut. »Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.«
Magda war so benommen, dass sie es kaum bemerkte, als er wegging. Sie saß noch lange Zeit da und starrte die Ledermappe an. Einerseits hätte sie am liebsten die Wertpapiere in kleine Schnipsel zerrissen und die Toilette hinuntergespült. Aber das würde die Erinnerung an sie nicht auslöschen. Das würde den Verrat nicht mindern. Wenn sie sie zerstörte, konnte sie damit nicht das Bild wiederherstellen, das sie immer von Philip als einem ehrlichen, anständigen Mann gehabt hatte.
Und dann waren da die Grundsätze, die man ihr als Kind eingebleut hatte. »Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.« »Es gibt arme Kinder, die dankbar wären für das, was du als selbstverständlich betrachtest.« Sie hörte die Stimme ihrer Mutter sagen: »Schatz, denk doch nur an all das Gute, das du damit tun könntest.«
Magda nahm die Mappe und stopfte sie in ihre Handtasche. Fürs Erste würde sie sie behalten. Sie schob ihr Glas Wein zur Seite und erhob sich zum Gehen. Sie war schon halb an der Tür, als die Bedienung ihr nachrief: »Sie müssen noch zahlen. Eine Flasche Sancerre.« Magda war irgendwie gar nicht so überrascht.
Mit einem ironischen Lächeln bezahlte sie für den Wein. Es war ganz gut, daran erinnert zu werden, dass man nichts umsonst bekam.
18
Mittwoch
A nders als die meisten Polizisten hatte Nick Nicolaides nichts gegen die Tage, an denen er vor Gericht aussagen musste. Die meisten seiner Kollegen mochten eher aktive Beschäftigung. Stundenlang herumzusitzen und zu warten, bis man in den Zeugenstand gerufen wurde, ließ sie vor Langeweile fast durchdrehen. Nick hatte noch nie ein Problem damit gehabt, sich zu beschäftigen. Musik in den Ohren, ein Buch in der Hand, und er war zufrieden. Das iPhone war eine herrliche Bereicherung seines Lebens. Er konnte Musik komponieren, im Netz surfen, lesen, Spiele spielen. Wenn er Lust dazu hatte, konnte er sogar Akten vom Büro herunterladen und nachholen, was er an Berichten zu lesen hatte.
Oder er konnte, wie zum Beispiel heute, seinen eigenen Ermittlungen nachgehen, ohne dass ihm jemand über die Schulter schaute und sich fragte, warum in Gottes Namen er schwedische Zeitungen googelte, wo er doch einen internationalen Kinderhändlerring sprengen sollte. Denn hier musste er heute nichts tun als warten, bis er hineingerufen wurde, und dann auf Fragen Auskunft geben, zu denen er die Antworten schon kannte.
Nachdem Nick mit Charlie gesprochen hatte, behielt er Jay Macallan Stewart im Hinterkopf, konzentrierte sich jedoch auf den Vorgang, an dem sein Team gerade arbeitete. Aber als er sich ins Bett fallen ließ, erschöpft von einem Tag, an dem er Bilder aus den Überwachungskameras mit ihrer Datenbank der ihnen bekannten Händler und Zuhälter verglich, waren seine Gedanken zu ihrer Unterhaltung zurückgekehrt. Beim Einschlafen hatte er über das nachgedacht, was Charlie ihm erzählt hatte und welche Informationen sie sammeln mussten. Und morgens, als er sich beim Rasieren im Spiegel betrachtete, wurde ihm klar, dass er den Fall Ulf Ingemarsson aus der falschen Perspektive betrachtete.
»Alibi«, murmelte er. Dort musste er anfangen. Das einzige Problem war: Wie konnte er feststellen, was Jay Macallan Stewart im Lauf einer bestimmten Woche des Jahres 2004 getan hatte? Man konnte von niemandem erwarten, dass er sich erinnerte, was vor sechs Jahren los gewesen war.
»Aber ihre Angestellten vielleicht.« Er wusch sich das Gesicht am Waschbecken und zwinkerte sich zuversichtlich zu. Jetzt musste er nur noch das Vorgehen austüfteln.
Inzwischen konnte er die Wartezeit nutzen, um zu sehen, was sich über Ulf Ingemarsson herausfinden ließ. Die Übersetzungsfunktion, die Google anbot, rief manchmal eher Heiterkeit hervor, statt Klarheit zu bringen,
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