Alle Rache Will Ewigkeit
Stahltüren verschwand, erst dann schloss sie auf.
Die merkwürdige Begegnung hatte sie verunsichert. Natürlich wollte sie wissen, was Nigel Fisher Boyd ihr nicht vor ihrer Wohnungstür aushändigen wollte. Aber sie war sich dessen bewusst, dass ihr kürzlich erlangter Bekanntheitsgrad sie für die Art von Kriminellen attraktiv machte, die Opfer eines Verbrechens als ihre potenzielle Beute betrachteten. Und er hatte ihren verstorbenen Mann »Phil« genannt. Sie wünschte, Jay wäre da; nicht weil sie diese Sache nicht alleine erledigen konnte, sondern weil es immer gut war, jemanden zu haben, der einen absicherte.
Magda ließ ihre Einkäufe auf der Arbeitsfläche in der Küche neben Fisher Boyds Karte zurück. Sollte ihr irgendetwas zustoßen, hatte sie zumindest einen Hinweis hinterlassen.
Zehn Minuten später saß sie an einem Ecktisch in einem Weinlokal, in dem sie noch nie gewesen war, obwohl es ganz in der Nähe ihrer Wohnung lag. Es hatte immer allzu schummrig und traurig auf sie gewirkt, und die Gäste machten den Eindruck, als seien sie dort gestrandet. Fisher Boyd kam mit einer Flasche Sancerre und einem unsicheren Gesichtsausdruck an den Tisch zurück. »Ich bin nicht sicher, ob der hier kalt genug ist«, sagte er, goss zwei Gläser ein und nippte daran. Er bewegte den Schluck im Mund, blies die Wangen auf, spitzte den Mund und schluckte dann ostentativ. »Er geht, glaube ich.«
Magda probierte den Wein. Er schien ihr ganz in Ordnung. »Sie kannten also meinen Mann?«, fragte sie.
Fisher Boyd zog seinen Mantel aus und legte ihn zusammengefaltet sorgfältig über eine Stuhllehne. Magda hasste diese schicken Anzüge mit den kalkweißen Nadelstreifen, zwei Rückschlitzen und den abgeschrägten Taschen, die sie immer nur an solchen Männern gesehen hatte, die Philip als »notwendiges Übel« der Welt bezeichnet hatte, in der er sich bewegte. Wegen der besonderen Rolle seiner Firma als Druckerei für vertrauliche Dokumente musste er mit einer großen Bandbreite von Leuten zusammenarbeiten, die mit dem Geldverdienen und dem Umgang mit Geld zu tun hatten. »Von annähernd Gaunern bis zur Prominenz der Privatbanken«, hatte er einmal gesagt und hinzugefügt: »Und manchmal sind die Extreme näher beieinander, als man denken würde.« Sie war ziemlich sicher, zu welchem Ende des Spektrums Nigel Fisher Boyd tendierte.
»Manche meiner Kunden brauchen sehr hochwertige vertrauliche Drucksachen. Anteilsscheine, Anleihepapiere – solche Dinge. So haben wir uns kennengelernt.«
Es war glaubwürdig. Aber er konnte es sich auch nach der Lektüre der Prozessberichte zusammengeschustert haben. »Sie haben also etwas für mich. Warum hat es so lange gedauert, bis Sie mich kontaktiert haben?«
Fisher Boyd warf ihr einen mitleidigen Blick zu. »Es schien vernünftig, bis nach dem Prozess zu warten. Damit es keine Möglichkeit gab, dass Sie meineidig werden.«
»Meineidig?« Empörung kämpfte gegen Verwirrung an und gewann die Oberhand. »Wie können Sie es wagen, anzudeuten, dass ich im Zeugenstand lügen würde!«
Er warf ihr ein kurzes raubtierhaftes Lächeln zu. »Genau wie ich befürchtet hatte. Sie sind ein viel zu ehrlicher Mensch, als dass Sie vor Gericht nicht die Wahrheit gesagt hätten, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Und das wäre für uns alle unangenehm gewesen.«
»Es gefällt mir nicht, wie sich das anhört. Worum geht es denn überhaupt?« Magda packte fest den Stiel ihres Glases, sie fürchtete, der Sache nicht gewachsen zu sein.
Fisher Boyd ließ seinen Aktenkoffer aufklicken und nahm eine dünne Ledermappe heraus, etwa so groß wie ein gebundener Roman. Er schob sie ihr hin. »Bitte, öffnen Sie sie doch«, sagte er, als sie die Mappe nur tatenlos mit kritischem Blick musterte.
Magda öffnete die Lasche und warf einen Blick hinein. Da lagen ein paar Blätter darin, schweres Leinenpapier, aber sie konnte nicht sehen, was darauf geschrieben war. Sie zog sie heraus und starrte auf die feine Prägung, ohne etwas zu begreifen.
Die Zahl 200 000 fiel ihr ins Auge. Es waren vier Blätter, auf jedem war der gleiche Betrag aufgeprägt. »Ich verstehe das nicht«, sagte sie.
»Das sind Inhaberobligationen«, sagte Fisher Boyd. »Wer immer sie hat, besitzt sie. Sie sind nicht auf den Namen irgendeines Besitzers registriert. Es ist, als hätte man Geld in der Hand, ohne die Unannehmlichkeit, mit einem Koffer voll Fünfzig-Pfund-Noten herumlaufen zu müssen.«
»Warum zeigen Sie mir das?
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