Alle Rache Will Ewigkeit
kaum noch dieselben sein, aber andererseits war es genauso schwer zu verstehen, dass die hauswirtschaftliche Leitung es geschafft hatte, einen ganzen Raum voller Doppelgänger zu erwerben – oder warum man es erstrebenswert gefunden haben sollte, das zu tun.
Noch wichtiger war, dass die Glastüren noch da waren, die auf den langen Rasen im Schatten zweier Zedern hinausführten. An jenem Tag waren sie weit geöffnet und boten den Hochzeitsgästen eine Abkürzung vom Festzelt zu den Toiletten. Ich beobachtete alles ein paar Minuten lang und ließ den Blick über die in allen Regenbogenfarben festlich gekleideten Gäste schweifen. Aber das Gesicht, das ich suchte, war nirgends zu sehen. Na ja, dachte ich. So eine Braut hat eben zu tun.
Ich wandte mich ab und wollte zurück zum Eingang der Magnusson Hall, nicht ohne einen Umweg zu den Damentoiletten zu machen. Auch dort hatte sich kaum etwas geändert. Alles war noch in amtlichem Cremeweiß gestrichen und weiß gefliest. Sogar der Aufkleber mit der Vergewaltigungs-Notrufnummer war noch da. Unwahrscheinlich, aber er sah genauso aus wie der, der vor fünfzehn Jahren hier geklebt hatte; der besonders dafür hergestellte Haftkleber machte es den Reinigungskräften wohl unmöglich, ihn abzukratzen.
Im WC saß ich ein paar Minuten da, genoss die Kühle des Spülkastens an meinem Rücken und spürte, wie meine Körpertemperatur einen oder zwei Grad sank. Als die Tür des nächsten WC geschlossen wurde, störte mich das Geräusch bei der Entspannung, und ein schneller Blick auf meine Uhr erinnerte mich, dass nicht mehr viel Zeit war bis zu meinem Diskussionsforum über den Aufbau einer Internetfirma. Ich betätigte die Spülung, ging hinaus und drehte den Wasserhahn auf, um mir Gesicht und Hände mit erfrischend kaltem Wasser abzukühlen.
Als die andere Tür aufging, hob ich den Kopf und schaute in den Spiegel. Neben meinem tropfenden Gesicht erschien die elfenbeinfarbene Seide und goldene Haut von Magda Newsam wie die Fata Morgana einer Oase. Unsere Blicke trafen sich zwangsläufig im Spiegel. Ich sah, wie Magdas Gesichtsausdruck sich von Gleichgültigkeit zu Überraschung wandelte. Ihr Mund öffnete sich, und sie wurde rot.
Ich wischte mir mit dem Handrücken über den Mund und grüßte: »Hallo, Maggot.«
Magda schüttelte ungläubig den Kopf. »Jay?«, fragte sie im Ton kindlicher Verwunderung, den Blick noch fest auf meine Augen geheftet, und ihr Mund verzog sich zögernd zu einem Lächeln.
Ohne hinzusehen, griff ich nach einem Papierhandtuch und wischte mir flüchtig das Gesicht ab, hielt aber weiter den Blick auf Magda gerichtet. Ich konnte mich nicht satt daran sehen, wie schön sie geworden war. Magda war ein unbeholfenes Kind gewesen, sie hatte interessant gewirkt, man hätte sie jedoch nie als Schönheit bezeichnet. Jetzt war sie ohne jeden Zweifel eine sehr schöne Frau. Ein merkwürdiger Trick der Gene hatte das nicht sehr vielversprechende Rohmaterial ihrer mäßig attraktiv, aber sehr verschieden aussehenden Eltern genommen und es in Flächen und Erhebungen verwandelt, die Fotografen dazu bringen würden, sich um sie zu streiten. Ich konnte kaum glauben, dass dieses schöne Gesicht mich so strahlend anlächelte.
»Du bist es, oder?«, fragte Magda, und ihre Stimme wurde vor Aufregung eine Oktave höher.
»Wer würde es sonst sein mit diesem Gesicht?« Ich drehte mich um und blickte dem Lächeln direkt entgegen.
Magda machte einen Schritt auf mich zu, dann hielt sie inne. »Ich kann’s nicht fassen«, hauchte sie. Ich bildete mir ein, die Bewegung der Luft auf meiner Haut zu spüren.
»Warum nicht?«
»Es ist, als würde ich ein Gespenst sehen. Eine Erscheinungsform meines Unterbewusstseins«, sagte sie leise, und ihre Stimme war voller Musik, die immer schon da gewesen war, aber jetzt den modulierten Wohlklang einer Erwachsenen hatte statt des schlichten kindlichen Geplappers.
»Ein Traum?«, fragte ich und versuchte, mokant zu klingen, was aber misslang.
»Der sich erfüllt hat. Du bist einfach aus unserem Leben verschwunden. An einem Tag warst du noch da, wie immer, dann warst du auf einmal weg. Ohne Vorwarnung. Einfach fort. Keine Erklärung, kein Abschied.«
Magda war nicht die Einzige mit einer deutlichen Erinnerung an die plötzliche Verbannung. »Es war nicht meine Entscheidung, Maggot«, sagte ich leise.
»Mein Gott, seit Jahren hat mich niemand mehr Maggot genannt«, rief Magda und brach in Lachen aus. »Nicht mal Wheelie. Aber was
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