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Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Möglichkeiten, der lärmenden Geschäftigkeit zu entrinnen, wenn man wusste, wo man suchen musste. Sie erinnerte sich an ihre erste Begegnung mit dem London, das die Touristen nicht zu Gesicht bekamen.
    Nachdem sie und Louise auseinandergetrieben worden waren wie ein Baumstamm unter einer Axt, hatte Jay sich bei einer Gaynight in einem der Oxforder Clubs von einer gutaussehenden Lesbe in Motorradkluft abschleppen lassen. Susanne war Graphikerin und lebte in Nord-London. Sie war nach Oxford gekommen, um ihre Schwester zu besuchen. Sie wussten beide, dass es nichts zwischen ihnen gab außer Spaß, und Susanne hatte es ihr nicht übelgenommen, als Jay sie bei einer Party sitzenließ, weil sie Ella Marcus kennengelernt hatte. Ella war Moderedakteurin bei einer dieser Frauenzeitschriften, die für normale Frauen völlig untragbare Kleider präsentieren. Sie war mondän, erfolgreich und mochte Jays Mischung aus intellektueller Gewandtheit und Naivität in kulturellen Dingen. Sie brachte Farbe in Jays letztes Jahr in Oxford und machte sie mit der Art Leben bekannt, das man in der Hauptstadt führen konnte. Theater, Galerien, experimentelles Kino und eine absolute Hingabe an die topaktuellsten Trends. Wenn etwas erst einmal auf dem Massenmarkt erschien, war es für Ella und ihr Gefolge erledigt.
    Eine Zeitlang machte es Spaß. Jay kam davon, ohne dass ihr Herz gebrochen oder ihr der Stolz genommen wurde, und sie genoss das Wissen, dass ihre Beziehung manche schockiert und andere genervt hatte. Sie hatten den Kontakt weiter gehalten; Ella war eine der ersten Journalistinnen gewesen, die sich hinter doitnow.com und später hinter 24 / 7 gestellt hatte.
    Jay dachte immer noch an Ella, als sie nach Hause kam. Es waren angenehmere Gedanken als die anderen Dinge, die sie beschäftigten. Sie wollte sich gern weiter ablenken, aber Magda hatte Spätdienst. Da sie romantischer Stimmung war, beschloss sie, es sei wohl an der Zeit, die trügerischen Untiefen der Dinge anzugehen und der Welt mitzuteilen, was sie über ihre und Magdas Verbindung preisgeben konnte, die sie nach so langer Zeit erneuert hatten. Es würde schwierig werden, denn es gab Dinge, die sie vor Magda verbergen wollte; und da waren Dinge, die der Öffentlichkeit zu schildern sie sich auf keinen Fall leisten konnte, und solche, die man fein wie Spinnfäden ausziehen musste, damit niemand sich beleidigt fühlte.
    Einen Moment war sie verstimmt. Es sollte doch ihre eigene Geschichte sein, aber selbst dabei konnte sie nicht aufrichtig sein. In Wirklichkeit war es unmöglich, die Wahrheit mit irgendjemandem zu teilen. Aber vielleicht konnte sie vorerst die wahre Geschichte dessen aufschreiben, was zwischen ihnen an Magdas Hochzeitstag vorgefallen war. Niemand anders würde dies zu sehen bekommen, nicht einmal Magda. Jay konnte es hinterher überarbeiten. Es wäre vielleicht sogar einfacher, es so zu machen. Wenn sie alles schwarz auf weiß vor sich sah, würde sie besser erkennen, welche Dinge sie nicht aussprechen durfte.
    Meine erste Aufgabe bei der Tagung an jenem Sonnabendnachmittag war, ein Seminar über Marketing und Werbespots zu geben. Ich würde lügen, wenn ich behauptete, ich hätte mich dabei amüsiert. Danach machte ich einen Spaziergang am Fluss, denn ich versuchte, an diesem schwülen Julinachmittag Kühlung zu finden. Ich atmete den gleichen schweren Duft der Lilien ein, der jene berauschenden Sommernächte erfüllt hatte, als ich noch eine ganz junge Lesbe war. Aber bevor ich zu tief im Sumpf der Erinnerungen versinken konnte, holte mich das Motorengeräusch von Autos in die Gegenwart zurück. Als ich die Böschung hinaufblickte, sah ich eine Anzahl hintereinander aufgereihter Wagen, die, von einem weißen Rolls-Royce angeführt, am Sackville Building vorbei und zur Wiese hinunterfuhren. Jemand hatte erwähnt, dass an diesem Nachmittag im College eine Hochzeit gefeiert werden sollte. Es interessierte mich nicht im Geringsten.
    Ich ging also am Fluss entlang bis zum Ende des Pfades, wo eine Reihe von Stufen über die steile, grasbewachsene Böschung wieder zum Sackville Building hinaufführte. Als ich ungefähr halb oben war, begann die Hochzeitsgesellschaft, sich über den schmalen Pfad hinweg auf die Rasenfläche zu verteilen.
    Die Braut und der Bräutigam gingen voraus. Er war groß und kräftig, die dunklen Haare frisch geschnitten, so dass ich eine dünne weiße Linie zwischen seiner gebräunten Haut und dem Haaransatz erkennen konnte. Obwohl es nicht

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