Alle Rache Will Ewigkeit
Bezeichnung war für das, was Jay geboten wurde. Als es auf ihren sechzehnten Geburtstag zuging, hatte Jay endlich akzeptiert, dass ihr Leben nicht Teil eines ausgedehnten betrügerischen Tricks war. So war es nun mal, und es kam auf sie an, wenn es sich ändern sollte. Also hatte sie angefangen, nach einem Fluchtweg zu suchen. Obwohl sie, bis sie zehn war, keine Schulbildung genossen hatte, war sie in der Schule erfolgreich. Sie war intelligent, hatte eine schnelle Auffassungsgabe und ein gutes Gedächtnis. Ihre Lehrer ermutigten sie, und so war Jay trotz Jennas und ihres Mannes totaler Gleichgültigkeit gut in der Schule. Es gab Hinweise, dass sie in ein oder zwei Jahren an eine Elite-Uni denken konnte.
Jay wusste genau, dass es besser war, zu Hause nichts davon zu sagen. Sie zog weiterhin den Kopf ein und bekam Zeugnisse, an denen selbst Howard Calder nichts auszusetzen fand. Es gab auch andere Dinge, über die sie, wie sie wusste, zu Hause und in der Schule lieber nicht sprechen sollte. Wenn sie erst einmal die Flucht geschafft hatte, würde sich das ändern. Aber zunächst würde sie bezüglich dieser Gefühle die Schotten dicht machen, genauso wie sie auch alles andere unter der Oberfläche versteckte.
Und dann ging das alles eines Abends zu Bruch.
Ich war in meinem Zimmer und machte Matheaufgaben, als Jenna hereinkam. Sie klopfte nicht an. Beide taten das nie. Warum sollten sie auch? Es wurde mir sowieso nichts erlaubt, was die beiden nicht sehen sollten. Ich sollte züchtig sein, mich zum Beispiel entweder im Badezimmer oder unter der Bettdecke aus- und anziehen. Ich musste natürlich immer anklopfen, wenn ich einen Raum betrat, in dem sie waren. Sogar wenn ich zum Abendessen ins Wohnzimmer kam. Das war nur eine der vielen kleinlichen Regeln, die mein Leben einengten und meinem Stiefvater die Möglichkeit gaben, seine Autorität auszuüben.
Plötzlich stand also meine Mutter neben mir und schien nervös. Ich war überrascht, weil ihr Mann gewöhnlich der Einzige war, der sie jemals nervös machte. »Howard und ich haben mit der Gemeinde um Erleuchtung gebetet, was dich betrifft.«
»Was mich betrifft? Warum? Was soll ich denn getan haben?«
»Wegen deiner Zukunft. Und wir haben beschlossen, wenn du sechzehn wirst, werden wir dafür sorgen, dass du einen geeigneten jungen Mann kennenlernst und heiratest.«
Zuerst konnte ich es gar nicht fassen. Es kam mir vor, als sei ich durch ein Zeitloch in einen viktorianischen Roman gefallen. »Ich werde nicht heiraten«, sagte ich. »Und ganz bestimmt nicht jemanden, den Howard geeignet findet.«
»Du bist meine Tochter und wirst tun, was dir befohlen wird«, antwortete Jenna. »Ich weiß, dass du den Vorteil einer christlichen Erziehung nicht von Anfang an genossen hast, aber wir können das wiedergutmachen.«
»Ich werde studieren«, rief ich. »Ich habe Pläne.«
In diesem Moment erschien mein Stiefvater in der Tür. »Es gibt kein Studium für dich«, sagte er. »Was bringt ein Studium für eine Ehefrau und Mutter? Du wirst in der Kirche heiraten und dein Leben Gott und der Familie widmen.«
»Ihr könnt das nicht bestimmen«, schrie ich.
»Ich glaube, du wirst merken, dass wir das können«, sagte er.
»Von deinem Geburtstag an wirst du nicht mehr zur Schule zu gehen brauchen. Wir werden dich hier zu Hause behalten, bis du Vernunft annimmst. Ich bin erstaunt über dich, Jennifer. Du behauptest, dass du deine Mutter liebst, und doch trachtest du danach, ihr das Herz zu brechen.«
»Ich bin zu jung, um zu heiraten.«
»Keineswegs«, sagte er. »Du wirst das tun, was dir befohlen wird. Du kannst entweder einwilligen, oder es wird schwierig. Aber du wirst es auf jeden Fall tun.«
»Ihr könnt mich nicht zwingen. Ich werde bei der Trauung laut schreien. Damit werdet ihr nicht durchkommen.«
Er setzte ein böses Lächeln auf. »Pastor Green weiß, wie wichtig es ist, dass Frauen diszipliniert werden. Du wirst sehen, dass Widerspruch auf ihn keinen Eindruck macht. Komm, Jenna. Es ist am besten, wenn wir Jennifer in Ruhe lassen, damit sie die gute Nachricht verarbeiten kann.«
Als sie gingen, schaute ich ihnen nach und war ausnahmsweise sprachlos. Ich wusste nicht, was ich verdammt noch mal tun sollte. Diese Zwangslage, in der sie alle Macht hatten, hatte ich nur überlebt, weil ich wusste, es würde ein Zeitpunkt kommen, an dem ich weggehen und mein eigenes Leben führen konnte. Aber ich wollte das Leben, das ich mir wählte. Ich wollte mein Reifezeugnis
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