Alle Rache Will Ewigkeit
sie vorhatte. Die meisten unserer Betrügereien waren einfach und schnell. Ich wusste nicht, was hier lief oder warum es so lange dauerte.
Ich fing an, mir einen Weg zu Jenna zu suchen, aber kaum hatte ich einen Schritt getan, versperrte Blair Andreson selbst mir den Weg. »Nun, wen haben wir denn da?«, fragte er mit seiner tiefen vollen Stimme, die überall, wo er sich aufhielt, den Raum zu füllen schien.
»Sie haben meine Mum da drüben«, sagte ich. »Ich will zu ihr gehen.«
»Deine Mum hat gerade eine ziemlich bewegende Begegnung mit ihrem himmlischen Vater«, sagte er, packte mich fest an der Schulter und führte mich zum Eingang zurück. »Wie wär’s, wenn ich jemanden schicke, der dir was zu essen bringt, und wenn deine Mum hier fertig ist, kommen wir und holen dich.«
Es war kein Vorschlag. Ich dachte daran, wegzulaufen, aber das war keine gute Idee. Ich wusste nicht, wo die anderen Frauen vom Lager abgeblieben waren, und hatte keine Ahnung, wie ich den Rückweg finden sollte. So gab ich mich demütig und nachgiebig und ließ mich von einem der jungen Männer zu einem anderen Zelt bringen, in dem es eine Art Buffet gab. Auf langen Tischen wurden belegte Brötchen und Salate angeboten. Und Berge von Muffins, so etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich hatte schon öfter beobachtet, wie andere Kinder sich mit Selbstgebackenem vollstopften – Törtchen und cremegefüllte kleine Teekuchen –, aber nie hatte ich so wahnsinnig viele auf einmal gesehen. Es war also keine große Härte, dort unter den Wiedergeborenen zu warten. Ich rechne es ihnen hoch an, dass sie mich in Frieden ließen und nicht versuchten, mir zusammen mit dem Essen die Lehre Jesu Christi einzutrichtern.
Schließlich kam jemand, der mich zum Zelt zurückbrachte. Jenna sah benommen aus, wie es manchmal war, wenn sie Heroin geraucht hatte, aber als ich erschien, lächelte sie und drückte mich an sich. Ich war überrascht. Normalerweise zeigte sie ihre Zuneigung nicht so deutlich. »Etwas Wunderbares ist geschehen, Jennifer«, sagte sie und strich mir übers Haar, was wahrscheinlich alles nur Theater war. »Ich habe Jesus in mein Leben aufgenommen.«
Wenn Sie jemals
Die Invasion der Körperfresser
gesehen haben, können Sie sich vorstellen, wie ich mich in dem Moment fühlte. Ich wollte Jenna nur von dort wegholen, zurück in unser beschissenes kleines Leben, wo ich zumindest wusste, was Sache war. »Wann gehen wir nach Haus?«, fragte ich sie.
Da lächelte sie, es war ein so strahlendes, friedvolles Lächeln, wie es einem Menschen entgegenbringen, die nur eine schwache Verbindung zur Wirklichkeit haben. »Wir werden in einem neuen Heim wohnen, Jennifer«, sagte sie. »In einem richtigen Haus. Wir gehören jetzt zur Familie der Christen.«
Und auf diese Weise erfuhr ich, dass in meinem Leben das Unterste zuoberst gekehrt worden war.
Charlie schaute vom Buch auf. »Ich sag dir, sie weiß, wie man den Leser bei der Stange hält. Sie gibt genug preis, dass man sich dran festliest, aber nicht so viele Einzelheiten, dass man sich in ihnen verliert. Und ich habe den Verdacht, dass sie einen Trick anwendet, der bei psychopathischen Persönlichkeiten häufig vorkommt. Und bei Politikern. Nicht dass ich damit sagen will, es gäbe zwischen diesen beiden Gruppen Gemeinsamkeiten.«
»Und das wäre?« Maria drehte die Lautstärke des CD -Spielers herunter.
»Sie schafft es, den Anschein von Freimütigkeit zu erwecken, ohne etwas von dem zu verraten, was andere nicht erfahren sollen.«
»Das tun wir aber alle, oder nicht? Wir wollen immer einen guten Eindruck hinterlassen.«
»Ja, aber bei den meisten von uns ist das kein bewusster Prozess. Und letztendlich verläuft es mit wechselndem Erfolg. Manchmal sagen oder tun wir dann doch etwas, das mehr verrät, als wir beabsichtigt hatten. Aber bei dieser Geschichte ist alles perfekt abgestimmt. Die Zauberformel versagt nie. Jede schlimme Angelegenheit, an der Jay beteiligt ist, wird irgendwie in ein Szenario verwandelt, in dem sie das heroische Opfer ist.«
»Ist das nicht ein Widerspruch in sich selbst? Ein heroisches Opfer?«
»Nicht in der Art und Weise, wie Jay es beschreibt. Und damit ist sie bei weitem nicht allein. Ich bin im Lauf der Jahre auf eine Menge solcher Menschen gestoßen.«
»Meinst du, sie ist eine Psychopathin?«
»Ich bin nicht sicher. Aber ich glaube schon, dass sie bis zu einem gewissen Grad eine gestörte Persönlichkeit ist. Bei ihrem früheren Leben ist das nicht
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