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Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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keine Ahnung, wie weit … Hör zu, Charlie, das Wichtigste ist, dass die beiden Menschen auf der Anklagebank unschuldig sind. Sie haben Philip nicht ermordet.«
    Charlie musste einfach fragen: »Wer dann?«
    »Manche Dinge kann man nicht am Telefon regeln. Komm und sprich mit mir, Charlie.«
    Jetzt hab ich angebissen, dachte Charlie. Jetzt geht’s wieder los.

8
    Ich verließ Northumberland als Jennifer Stewart und kam in Oxford als Jay an. Bestimmt nichts Weltbewegendes, aber es war die erste Stufe meiner Verwandlung. Bald wurde mir klar, dass noch viel mehr geschehen musste. Ich habe jetzt, Jahre danach, immer noch demütigende Erinnerungen an mein erstes Seminar bei Dr. Helena Winter.
    Helena Winter war einer der Gründe, weshalb ich mich für Scholastika entschieden hatte. Sie hatte das erste Buch über Philosophie geschrieben, das meine Begeisterung für dieses Fach entzündet hatte. Als ich zu den Vorgesprächen ins College kam, fand ich, sie sei die eleganteste Frau, die ich je gesehen hatte. In ihrem tadellosen anthrazitgrauen Anzug mit Nadelstreifen strahlte sie eine ruhige Gefasstheit aus. Ihr Gesichtsausdruck war unergründlich und das zu einem perfekten Chignon frisierte Haar so erstaunlich blendend weiß wie ein neuer Stoß Kopierpapier. Ich wollte sie unbedingt beeindrucken.
    Ich hatte mein erstes Referat über die Geschichte der Philosophie im Gedanken an sie geschrieben und begann, wie angewiesen, es laut vorzulesen. Wenn Sie mich jemals im Radio oder Fernsehen gehört haben, ist es vielleicht schwer, sich vorzustellen, dass ich damals den denkbar breitesten Northumbria-Dialekt sprach. Ich hatte kaum angefangen, als ich bemerkte, dass Dr. Winter wie ein eleganter Verkehrspolizist die Hand hob. Ich kam ins Stocken und schwieg.
    »Es tut mir unendlich leid, Miss … Stewart«, sagte Dr. Winter, wobei es ihr offenbar gleichgültig war, dass sie herablassend klang. »Ihr Akzent ist absolut fabelhaft und wäre ein großer Gewinn, wenn Sie Alt- und Mittelenglisch studieren wollten. Aber leider habe ich bis jetzt kein Wort von dem verstanden, was Sie sagten. Könnten Sie vielleicht noch einmal von vorn anfangen und ein bisschen langsamer sprechen?«
    Ich schämte mich. Aber mit achtzehn hatte ich keine Ahnung davon, dass selbst eine Frau wie Helena Winter in ihre Schranken gewiesen werden konnte, und schon gar nicht, wie man so etwas machte. Also fing ich noch einmal an und zwang meinen Mund, die Art von Phonemen zu erzeugen, die in meiner Heimat in Wearside nur Spott und Hohn geerntet hätten. Am Ende des ersten Trimesters war ich zweisprachig. BBC -Englisch für Dr. Winter, Northumbrisch, wenn ich dachte und mit mir selbst sprach.
    Die Philosophiedozentin war ein kräftiges Gegenmittel gegen Dr. Winters Förmlichkeit. Corinna Newsam war das absolute Gegenteil zu den meisten Dozenten des Colleges. Die Liste der Unterschiede war lang und bedeutsam. Sie war Kanadierin, katholisch und verheiratet, lebte also in einem richtigen Haus, nicht in einer Reihe von College-Räumen; sie hatte selbst Kinder, sie war erst fünfunddreißig, fast noch ein Kind nach den professoralen Maßstäben von Oxford; und sie war zwanglos und bestand darauf, dass wir sie Corinna nannten. Dies waren die konkret fassbaren Unterschiede. Aber es gab auch solche, die kaum greifbar waren. Sie war lebhaft und ließ die Ideen der alten griechischen Philosophen lebendig und relevant werden. Niemals war sie herablassend oder snobistisch. Wahrscheinlich war die Hälfte der Studentinnen in sie verliebt.
    Jay hielt inne und las den letzten Abschnitt noch einmal. »Nein« murmelte sie. »Der letzte Satz wird gestrichen.« Sie durfte nie vergessen, dass sie ihrer Offenheit neue Fesseln anlegen musste. Denn Magda würde diese Lebensbeschreibung lesen. Das meiste von dem, was Jay vor Magda verbergen wollte, überschnitt sich mit dem, was auch der Rest der Welt nicht erfahren sollte. Aber es gab jetzt darüber hinaus ein paar Dinge, die tabu waren. Es wäre geschmacklos, ihrer Geliebten zu offenbaren, dass sie zu der Zeit, als Magda zum ersten Mal in Jay verknallt war, Jay selbst sich in ihre Mutter verliebt hatte. Also löschte sie den letzten Satz, nahm die Brille ab und rieb die Gläser mit ihrem T-Shirt sauber, während sie sich einen neuen überleitenden Satz überlegte.
    Kurzum, sie war das einzige Mitglied des Kollegiums, das das Potenzial zu haben schien, mit jemandem von uns befreundet zu sein.
    Mir war damals nicht klar, dass es

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