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Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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»Nein!«, kreischte Catherine, breitete die Arme aus und landete einen Schlag auf meinen Mund, der meine Oberlippe gegen die Zähne quetschte. Ich spürte sofort, wie die Lippe anschwoll. Jetzt begann ich zu verstehen, wie es dazu kommt, dass Kinder verprügelt werden.
    Hinter mir stand Maggot und riet mir: »Sag ihr, dass du ihr eine Geschichte vorliest, eine, die sie auswählen darf. Das funktioniert meistens.«
    Ich nickte. »Okay, Wheelie. Komm mit mir nach oben, und dann lese ich dir eine Geschichte vor. Irgendeine, die du dir wünschst.«
    Eine halbe Stunde und fünf Geschichten später fielen Catherine die Augen zu. Ich blieb noch eine Minute da und beobachtete sie, um sicherzugehen, dass sie nicht wieder aufgingen, dann schlich ich hinunter. Mit den Jungen war es leichter. Ich machte einen Deal mit ihnen: Sie durften sich vom Bett aus eine Dokumentation über den Ingenieur Isambard Kingdom Brunel anschauen, wenn sie versprachen, danach gewissenhaft den Fernseher abzuschalten.
    »Das werden sie nicht machen«, informierte Maggot mich sofort, nachdem die Vereinbarung getroffen war.
    »Vielleicht nicht«, sagte ich, aber es war mir egal. »Ich seh später nach.«
    »Sie werden irgendwann einschlafen, und du kannst ihn abschalten, bevor Mum und Dad nach Haus kommen«, empfahl Maggot. »Sonst werden sie nur patzig zu dir.«
    »Und wie steht’s mit dir?«, sagte ich. »Ich nehme an, du willst nicht vorgelesen bekommen?«
    »Wohl kaum«, sagte Maggot im überlegenen Tonfall von jemandem, der noch nicht dem quälenden Griff der Pubertät unterliegt. »Ich gehe um neun zu Bett. Bis um halb zehn lese ich. Bis dahin kannst du mit mir reden.«
    Ich hatte nicht den leisesten Schimmer, worüber anständige elfjährige Mädchen der Mittelklasse redeten. Wo ich herstammte, waren die üblichen Themen Jungen und Ladendiebstahl. Aber ich fürchtete, beide würden wohl kaum auf Magdalene Newsams Themenliste stehen. »Kannst du Kribbage spielen?«, fragte ich verzweifelt.
    »Nein«, sagte Maggot neugierig. »Was ist das?«
    Also brachte ich es ihr bei. Es gab kein Kribbage-Brett im Haus, aber ich improvisierte mit den Legosteinen der Jungen. Wir redeten auch, aber das war während eines Kartenspiels leichter, als wenn wir uns an einem geschrubbten Holztisch gegenübergesessen und gegrübelt hätten, bis uns etwas einfiel, das die Stille vertreiben würde.
    In dieser ersten Begegnung gab es nichts, was voraussehen ließ, was später daraus werden würde. Aber es ist noch nicht an der Zeit, diese Geschichte zu erzählen. Noch nicht, geneigte/-r LeserIn.
    Am Ende des ersten Trimesters war ich bei den Newsams ungefähr einmal die Woche der Babysitter. Und ich ging immer noch mit Corinna in die Kneipe und kam vorbei, wann immer ich in der Nähe war. Den größten Teil dieses ersten Trimesters hatte ich Heimweh, war einsam und hatte das Gefühl, nicht dazuzugehören, da ich aus meiner vertrauten Gegend und sozialen Schicht losgelöst war. Aber Corinna gab mir das Gefühl, dass es einen Ort gab, wo ich hingehörte und geschätzt wurde. Sonst gab es damals in meinem Leben in dieser Art nicht viel.
    Jay hielt inne. Sie wusste, was sie sagen wollte. Ergab es einen Sinn, eine Zeile überhaupt einzugeben, die schon bei der flüchtigsten Überarbeitung wieder herausgenommen werden musste? »Ja«, sagte sie. Sie wollte sehen, wie sich der Satz auf der Seite ausnahm.
    Ich hätte damals frohen Herzens für Corinna Newsam gemordet.

9
    H eimlich ohne Maria nach Oxford fahren, das war der Plan. Das war die Herausforderung für Charlie. Wenn sich die gängigen Klischees bewahrheiteten, dann müsste es lächerlich einfach sein; eine Psychiaterin gegen eine Zahnärztin, das konnte man wohl kaum einen Wettstreit nennen. Aber Charlie kannte Maria zu gut, um sich darauf zu verlassen. Maria schaute oft über den Tellerrand hinaus, während Charlie sich auf die Einzelheiten konzentrierte. Maria hatte sie als Erste vor den Gefahren gewarnt, die sich aus der Sache mit Bill Hopton ergeben konnten. Die Erste von vielen. Die vielen, die sie ignoriert hatte, weil sie sich so sehr an ihre reinen Prinzipien statt an die schmutzige, praktische Realität gehalten hatte. Und nun sah man, wie weit sie damit gekommen war.
    Jetzt fragte sie sich, ob sie irgendetwas hätte anders machen können.
    Sie erinnerte sich an das Gespräch am Abend, bevor sie das Gutachten abgeschlossen hatte, das den Ball ins Rollen brachte. Obwohl Charlie sich streng daran hielt, Maria

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