Alle Rache Will Ewigkeit
kuriose Begriff für die Studenten an einem College in Oxford, die noch kein Diplom abgelegt haben – aufstellen lassen. Es war immer schon eine dieser Aufgaben, die sich in einem Lebenslauf eindrucksvoller ausnehmen, als sie in Wirklichkeit sind. Aber für mich war es der nächste Schritt in der Metamorphose der unbedeutenden Jennifer Stewart. Eine weitere Etappe auf der Strecke, die ich schon zurückgelegt hatte.
Zu meiner Zeit am St. Scholastika College hieß das eigentlich nur, dafür zu sorgen, dass die anderen Mitglieder des Komitees das taten, wofür sie gewählt worden waren. Einmal pro Woche hatte man sich mit der Leiterin des Colleges zu treffen, um über etwaige strittige Angelegenheiten zu diskutieren und den trockenen Sherry zu trinken, den zu lieben ich mich erst abrichten musste. Des Weiteren galt es, Versammlungen abzuhalten und je nachdem, wie streng die Inhaberin des Amtes in der Verfolgung ihrer Ideen war, die politische und praktische Richtung des studentischen Lebens zu ändern. Wenn es einem zum Beispiel in den Sinn kam, konnte man die Mitglieder des Common Room überzeugen, alle Mittel der Gesellschaft notleidender vornehmer Damen zu spenden. Oder irgendeiner radikalen marxistischen mittelamerikanischen Guerillaarmee. Je nach Standpunkt war es entweder Macht ohne Verantwortung oder Verantwortung ohne Macht.
Meine Hauptrivalin bei der Wahl war Jess Edwards, eine Geographie-Studentin mit der Gabe scharfsinniger Redegewandtheit, die für Oxford gerudert hatte und eine beunruhigend intensive Bewunderung für die historischen Leistungen Margaret Thatchers hegte. Wir waren sowohl bei Themen praktischer als auch ideologischer Natur verschiedener Meinung. Zum Beispiel: Ich schlug ein Programm zur Beschaffung von Geldmitteln vor, das die Bereitstellung eines richtigen Waschsalons im College mit modernen Waschmaschinen zum Ziel hatte; Jess wollte mehr für Trainer für die Ruderer ausgeben, um den Ruf des Colleges auf dem Fluss zu verbessern. Die Diskussionen zwischen uns waren in aller Härte ausgetragen worden, aber bald nachdem Louise und ich ein Paar wurden, erkannte ich, dass mein Vorsprung sich verringert hatte. Die Liebe hatte mir den Schwung genommen. Vorher hätte ich Jess in die Enge getrieben und sie förmlich in Stücke gerissen, aber jetzt wählte ich versöhnlichere Töne als der sanfteste dieser unentschlossenen Gutmenschen.
Jay lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und erinnerte sich, wie frustriert sie gewesen war, als sie gemerkt hatte, dass ihr alles entglitt, weil sie die Lust am Kampf verloren hatte. Sie hatte sich nie so eingeschätzt, dass ihr die Liebe allein genug sein würde. Die Leichtfertigkeit ihrer Mutter in ihrer frühen Kindheit kombiniert mit der grausamen Unfreiheit, die darauf folgte, hatte das bewirkt. Aber mit Louise hatten die Emotionen sie überwältigt, und das Gefühl, für einen anderen Menschen der Mittelpunkt der Welt zu sein, war eigenartig berauschend gewesen.
Das Problem war nur, dass sie ihre Ambitionen nicht auf Eis legen konnte. Sie war im vierten Trimester ihrer drei Jahre am Scholastika gewesen. Bald hätte sie die halbe Strecke hinter sich gehabt. Sie hatte nicht mehr lange Zeit, um Eindruck zu machen und eine Basis für ein Leben zu schaffen, das Lichtjahre entfernt war von den düsteren und anspruchslosen Aussichten, die sie als Jugendliche für sich gesehen hatte. Für Leute wie sie gab es keine Gelegenheit für einen zweiten Anlauf. Dies war ihre einzige Chance gewesen, und sie hatte sie nutzen müssen. Irgendwie hatte sie eine Möglichkeit finden müssen, eine Wende zu erzwingen.
Wie ein Raubtier, das Blut riecht, stürzte sich Jess ohne Erbarmen auf Schwächen. Vier Tage vor der Wahl saß ich an meinem gewöhnlichen Platz in der Bibliothek und arbeitete, als ein Schatten auf meine Notizen fiel. »Kann ich dich mal kurz sprechen?«, fragte Jess leise.
Ich folgte ihr in den Park und benutzte die Gelegenheit, eine streng riechende Gitane anzuzünden. Jess konnte Zigaretten nicht ausstehen, und die Tatsache, dass ich das wusste, war mir ein zusätzliches Vergnügen. »Du hast so viel Zeit, wie ich brauche, um die hier zu rauchen«, sagte ich ganz unverblümt.
»So lange werde ich nicht brauchen. Ich will, dass du deine Bewerbung zurückziehst.«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Wenn du wieder in der Realität ankommst, sag mir Bescheid«, entgegnete ich sarkastisch.
»Ich schlage das in deinem Interesse vor. Ich will nicht, dass es
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