Alle Rache Will Ewigkeit
provozieren.
Was sie bekam, war so ziemlich das, was sie erwartet hatte. »Heiliger Strohsack, Charlie. Ich sehe, du hast es nie gelernt, dich beschönigender Umschreibungen zu bedienen.«
»Ich ziehe es vor, keinen Raum für Unklarheiten zu lassen. Ein paar Wochen später wurden Philips Geschäftspartner verhaftet und wegen Mordes angeklagt. Sie hatten Insiderwissen genutzt, um an der Börse abzusahnen. Philip hatte das herausgefunden und plante auszupacken, sobald er aus den Flitterwochen zurückkäme. Deshalb brachten sie ihn um. Magda fand das wichtigste Beweismaterial, das die Anklage gegen sie perfekt machte. Diese Woche wurden sie des Mordes für schuldig befunden. Und irgendwo dazwischen hast du mir ein Päckchen mit Zeitungsausschnitten geschickt.«
Corinna rührte mechanisch in ihrem Kaffee. »Dein Talent für prägnante Zusammenfassungen ist dir nicht abhandengekommen.«
»Aber warum bin ich hier, Corinna? Worum geht es eigentlich, um Gottes willen? Was gehen dich die verurteilten Mörder deines Schwiegersohns an?«
Sie rührte weiter und seufzte dann. »Es wird sich verrückt anhören. Ich habe darüber nachgedacht, ob ich zur Polizei gehen soll, aber ich wusste, dort würde man mich nicht ernst nehmen, wo sie doch so gutes Beweismaterial gegen Paul und Joanna hatten. Deshalb wollte ich mit dir sprechen und nicht mit irgendeinem Fremden in einem Detektivbüro. Du weißt, dass ich keine Verrückte bin.«
Charlie sagte mit einem traurigen, skeptischen Lächeln: »Man braucht nicht verrückt zu sein, um gelegentlich eine aberwitzige Fixierung zu haben, Corinna. Das kommt immer wieder vor.«
»Glaub mir, Charlie. Es ist keine absonderliche Fixierung. Ich bin überzeugt, dass Paul Barker und Joanna Sanderson Philip nicht umgebracht haben.«
Corinna erwartete offenbar, dass dies für Charlie ein Hammer sein würde, aber sie hatte sich schon ausgerechnet, dass sie etwas Derartiges hören würde. »Die Polizei hat sich geirrt? Die Geschworenen haben einen Fehler gemacht?«
Corinna legte endlich ihren Löffel beiseite. »Es wäre nicht das erste Mal.«
Diese spitze Bemerkung war gezielt, und sie saß. »Es passiert nicht so oft, wie man denkt.«
»Mit Bill Hopton wäre es fast passiert.« Corinnas Tonfall war so freimütig wie ihr Blick. »Ich wette, du wünschtest, es wäre tatsächlich passiert.«
Charlie atmete tief durch die Nase ein und zählte bis zehn. Sie hatte vergessen, wie herausfordernd Corinna tatsächlich sein konnte. »Nein. Das tue ich nicht. Ich weiß, es ist keine populäre Meinung, aber ich glaube immer noch, dass die Justiz nichts wert ist, wenn wir nicht die Wahrheit in den Mittelpunkt stellen.«
Zu ihrer Überraschung lächelte Corinna. »Das ist die Charlie, die ich von früher kenne. Deshalb wollte ich dich an Bord haben.«
Charlie schüttelte den Kopf. »Eine Gutachterin mit schlechtem Ruf, die darauf wartet, dass ihr die Zulassung entzogen wird? Zurzeit würde mich niemand auf seiner Seite haben wollen, der bei klarem Verstand ist.«
Corinna winkte ungeduldig ab. »Das wird schon in Ordnung kommen. Du wirst sehen. In der Zwischenzeit bist du genau die Richtige, um dieser Sache auf den Grund zu gehen.«
»Auf den Grund von was? Warum bist du so sicher, dass es ein Fehlurteil ist?«
»Weil ich weiß, wer Philip wirklich umgebracht hat.«
Charlie wusste, dass dies der Punkt war, an dem sie, wie ein Enthüllungsjournalist in einem Massagesalon, sich entschuldigen und gehen sollte. Als sie sprach, wusste sie, dass sie es bereuen würde; aber sie sagte: »Wer?«
»Die Person, die meinen Schwiegersohn ermordet hat, ist Jay Macallan Stewart.«
14
M anchmal schien es Jay, als sei ihr die Vergangenheit näher als die Gegenwart. Sie konnte sich im Sex mit Magda verlieren, aber wenn sie danach beieinanderlagen, schweiften ihre Gedanken vom gegenwärtigen Erleben in die Vergangenheit zurück und hielten bei einer bestimmten Begebenheit an. Sie revidierte ihr Leben nicht nur derzeit, damit ihre schriftlichen Erinnerungen vorankamen. Sondern es war schon immer so gewesen. Es war, als überprüfe sie ständig die Vergangenheit, weil sie sich bemühte, ihr eine Form zu geben, die sie akzeptabel fand. Jay wollte auf die Jahre als einen ununterbrochenen, unbeirrbar aufsteigenden Pfad zurückschauen. Manchmal war das recht anstrengend.
Bevor Louise und ich entdeckten, was Lesben eigentlich im Bett taten, hatte ich mich als Kandidatin für die Vorsitzende des Junior Common Room – der
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