Alle Rache Will Ewigkeit
in Arm ins College zurück. Es war eine etwas gewagte Geste, aber alle wussten von unserem Abenteuer, es war also nicht schwer, unserem Benehmen eine harmlose Deutung zu geben. Zurück in meinem Zimmer, standen wir einander gegenüber. Dann näherten sich unsere Gesichter ganz langsam, bis unsere Lippen sich berührten.
Woran ich mich am besten erinnere, ist das Gefühl, als explodiere ein helles Licht in meinem Kopf. Als ich Louise in die Augen schaute, sah ich dort mein Erstaunen widergespiegelt. In dem Moment fühlte ich mich unbesiegbar.
Leider war das kein Gefühl, das lange vorhielt, wie ich auf die harte Tour lernen sollte.
13
C harlie konnte kaum glauben, wie wenig Corinna sich verändert hatte. Sie trug immer noch die vertraute, schwere Brille mit den ovalen Gläsern, die vielleicht einmal im Jahr 1963 in ihrem Heimatland Kanada fünfzehn Minuten in Mode gewesen sein mochte, seitdem aber keinen einzigen glanzvollen Moment mehr erlebt hatte. Ihre Frisur war selbst jetzt noch im Stil der sechziger Jahre, Seitenscheitel, zurückgekämmt, mit einem Schwung zurückgeworfen unter das ziemlich ausgeprägte Kinn, die ganze monströse Konstruktion durch eine Schicht Haarspray zusammengehalten, die so hart wie Schellack war. Es hatte immer noch die gleichmäßige Farbe von dunkelbrauner Schuhcreme. Unwillkürlich fielen Charlie die Porträts auf dem Dachboden ein. Sie lächelte und grüßte unsicher.
»Charlie. Du bist gekommen!« Die gleiche warme Stimme mit dem vertrauten kanadischen Akzent. Corinna kam ihr entgegen und legte Charlie eine Hand auf den Arm.
»Ich sagte ja, ich würde kommen.« Charlie ließ sich in die Diele führen. Im Gegensatz zu Corinna hatte sie die Diele ganz anders in Erinnerung. Die Kratzer und Schrammen von vier Kindern waren verschwunden, übermalt und ausgelöscht. Ein afghanischer Läufer auf abgeschliffenen und polierten Dielen hatte den abgenutzten schokoladebraunen Teppich ersetzt. Und es gab richtige Bilder an der Wand, nicht die knallbunten Klecksereien der Kinderzeichnungen. »Wow, hier hat sich ja alles verändert«, kommentierte sie.
Corinna stieß ihr vertrautes, heiseres Lachen aus. »So ist das eben, wenn die Kinder groß werden und der Mann alt. Es gibt nichts mehr, was einen davon abhalten kann, die Wohnung so zu gestalten, wie man sie immer schon haben wollte.« Sie ging voraus zur Treppe, die zur Küche im Untergeschoss führte. »Aber hier hat sich nicht viel verändert.«
Sie hatte recht. Die Küche hatte immer noch das Aussehen eines Raums, der von einem Wirbelsturm heimgesucht worden war. Kleider, Bücher, Sportutensilien, Zeitschriften, Zeitungen und CD s waren wahllos auf Sofas und Sesseln verstreut, die die halbe Fläche an den Wänden einnahmen. Der dunkelrote Herd hatte immer noch eine cremeweiße Tür, weil die Newsams daran gewöhnt waren, nicht sehr wählerisch zu sein, vor allem wenn man dabei Geld sparte. Radio 4 murmelte im Hintergrund.
»Nur die Titel der Bücher sind anders«, sagte Corinna. Sie zog einen Stuhl unterm Küchentisch heraus und wies einladend auf ihn. »Kaffee, ja?« Sie warf einen Blick auf die Wanduhr. »Wir haben nicht so viel Zeit, wie ich gehofft hatte. Magda und Wheelie kommen zum Mittagessen. Dann können wir uns dem Smalltalk widmen.«
Smalltalk, so stellt sich Corinna mein Leben vor.
»Wäre das nicht ein bisschen heikel? Wenn man den Grund meines Kommens bedenkt? Wobei ich natürlich immer noch nicht genau weiß, warum ich eigentlich hier bin.«
Corinna warf ihr einen merkwürdigen Blick zu, während sie Kaffee in eine Cafetiere gab. »Na ja, ich erwarte nicht gerade von dir, dass du Magda verhörst, während wir die Hühner-Schinken-Pastete essen. Ich hatte dir etwas mehr Raffinesse zugetraut.« Dann sagte sie munterer: »Außerdem sind sie daran gewöhnt, dass ehemalige Studentinnen vorbeikommen. Wir hatten ja immer schon eine Tendenz zum offenen Haus.« Sie brachte den Kaffee an den Tisch herüber. »Wie viel weißt du also über das, was mit Magda geschehen ist?«
»Ich weiß, dass sie letzten Juli Philip Carling heiratete. Sie hatten sich drei oder vier Jahre gekannt, je nachdem, welche Zeitung man liest. Die Hochzeit und die Party wurden am Scholastika gefeiert, und Philip Carling wurde spätabends tot im Fluss beim Landesteg gefunden. Er war bewusstlos geschlagen und dann unter ein Boot gestoßen worden. Wie mache ich das?« Charlie gab sich absichtlich knallhart, weil sie versuchte, eine Reaktion zu
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