Alle Rache Will Ewigkeit
verarbeiten.
Stattdessen versuchte ich, die Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter zu retten. Ich war absolut überzeugt, dass ich ihnen mit der Übernahme durch eine größere, moderne Firma, die der Zukunft des Internets mit großen Plänen entgegensah, jede Menge neue Karrierechancen bieten würde.
Der Kaufvertrag wurde am 9 . März 2000 abgeschlossen, drei Wochen nach Kathys Tod. Und am 10 . März platzte der Traum von der schönen neuen Dotcom-Welt.
AMTAGEN hatte, einen Monat nachdem ich doitnow.com verkauft hatte, neunzig Prozent seines Aktienwerts verloren.
Jay fuhr sich mit der Hand durch ihre strubblige Bettfrisur. Sie bewegte sich hier auf dünnem Eis. Sie hatte ihre Geschäftspartnerin verloren, aber ihr Betriebsvermögen hatte sie behalten können. Jeder, der genug Interesse für eine kurze Recherche aufbrachte, würde herausfinden, dass sie beim Verkauf von doitnow.com 237 Millionen Pfund verdient hatte. Es gab keinen Grund, sich bei ihren Lesern unbeliebt zu machen, indem sie sie mit der Nase darauf stieß. Eher angebracht war es, die Wahrheit ein bisschen zu frisieren.
Durch puren Zufall hatten Kathy und ich den Verkauf von doitnow.com für genau den richtigen Zeitpunkt geplant. Zum Teil hatte ich es ihrer Kenntnis des IT -Markts zu verdanken, dass ich jetzt eine sehr reiche Frau war.
Ich hätte alles dafür gegeben, wenn ich Kathy dafür zurückbekommen hätte.
»Wer’s glaubt, wird selig«, sagte Jay laut vor sich hin, während sie die Datei abspeicherte und auf ihren Memory Stick übertrug, bevor sie ihn von Magdas Rechner entfernte. Sie lehnte sich weit zurück und streckte sich behaglich. Wenn sie Magda jetzt weckte, würden sie noch genug Zeit haben, sich zu lieben, bevor Magda aufbrach, um ihre Arbeit auf der Station mit den krebskranken Kindern aufzunehmen. Jay lächelte. Es gab doch nichts Besseres als ein bisschen Arbeit früh am Morgen, um solche Gelüste zu wecken.
13
C harlie hatte in ihrem Leben unzählige Stunden in Oxfords Bibliotheken zugebracht. Die Schwelle der öffentlichen Stadtbibliothek hatte sie jedoch noch nie überschritten. Unpassenderweise hatte diese Institution ihren Sitz im Herzen des Westgate Einkaufszentrums; mit dem Beton, Glas und Stahl aus den siebziger Jahren war sie trotzdem noch moderner als die meisten Gebäude, in denen Charlie studiert hatte. Die Leser hier wurden wenigstens nicht von fotografierenden Touristen belästigt, die an der Außenwand hochkletterten, um durch die Fenster Bilder zu schießen, wie dies den Studenten in der Radcliffe Camera immer wieder geschah. Auch würde sie wohl keinen Eid schwören müssen, bevor sie die Bestände nutzen konnte. Charlie erinnerte sich immer gerne an die alte Tradition, nach der sie vor Aushändigung eines Leserausweises hatte versprechen müssen, niemals Flamme oder Feuer in die Bodleian Bibliothek zu bringen.
Binnen fünfzehn Minuten saß Charlie an einem Mikrofiche-Leseplatz und hatte die entsprechenden Filme der Lokalpresse zur Verfügung. Jess Edwards’ Todestag war ihr bekannt, und durch eine Online-Recherche hatte sie das Datum der gerichtlichen Untersuchung zur Todesursache ermittelt. Sie begann mit der nervtötenden Durchsicht der einzelnen Zeitungsseiten und versuchte dabei, den Mann am nächsten Leseplatz zu ignorieren, der sich abwechselnd laut schneuzte und an verschiedenen Körperteilen kratzte. Er drehte so gelangweilt am Bedienknopf des Geräts, dass sie vermutete, er sei nur hier, weil er einen Platz in einem warmen Raum brauchte. Als sie dann den ersten Artikel über Jess’ Tod entdeckte, hatte sie dergleichen Ablenkungen schnell wieder vergessen. Da stand die Schlagzeile schwarz auf weiß:
Studentin stirbt bei tragischem Unfall
Am frühen Morgen wurde im Fluss Cherwell auf Höhe des St. Scholastika College die Leiche einer Studentin aufgefunden.
Jess Edwards, eine passionierte Rudersportlerin, wurde im Wasser in der Nähe des Bootshauses entdeckt, als ihre Kommilitoninnen des Ruderteams zum morgendlichen Training kamen. Nach vergeblichen Wiederbelebungsversuchen durch die Rettungssanitäter wurde die Studentin im John Radcliffe Hospital für tot erklärt.
Eine der Studentinnen, die die Leiche gefunden hatten, sprach von einer Kopfverletzung. Die Polizei erklärte, man vermute einen tragischen Unfall.
Die zwanzigjährige Jess war Studentin der Geographie am St. Scholastika College im zweiten Studienjahr. Sie war Steuerfrau des Ruder-Achters des Colleges und hatte in dieser
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