Alle Singen Im Chor
kam dann mit der Frau von seinem vorigen Rendezvous da an und so weiter … Wartest du mal eben, Michael schreit. Ich geb ihm schnell seinen Schnuller.»
Jaana legte den Hörer hin. Im Hintergrund hörte ich Babygeschrei und Jaanas mütterliches Gurren. Solche Geräusche hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Das Gewimmer verstummte.
«Wahrscheinlich hat Jukka wieder einem andern die Freundin ausgespannt», seufzte Jaana, als sie wieder an der Strippe war. «Er hat ja immer alle Frauen auf sich aufmerksam machen müssen. Manchmal hatte ich das Gefühl, ihm ist wirklich jede recht.»
«Du kennst doch praktisch alle, die in der Villa waren. Weißt du, ob jemand von ihnen eine Rechnung mit Jukka offen hatte?»
«Ja, ich kenn alle außer diesem Jyri. Eine Rechnung offen …» Jaana machte eine lange Pause. «Sirkku Halonen vielleicht. Nach der Deutschlandreise hat sie sich von ihrem Freund getrennt, weil sie unterwegs was mit Jukka hatte. Das war wieder so eine von Jukkas Demonstrationen. Ich hatte kurz vor der Reise mit ihm Schluss gemacht und dann bald den Franz kennen gelernt … Als wir wieder in Finnland waren, hat Jukka versucht, mich zurückzugewinnen, er wollte einfach nicht wahrhaben, dass ich mein Herz in Kassel verloren hatte … Jedenfalls hat Sirkku nicht ganz begriffen, was da los war, und Jukka später vorgeworfen, er hätte die Beziehung zu ihrem Freund kaputtgemacht.»
«Sirkku ist jetzt mit Timo Huttunen zusammen. Glaubst du, das hat was zu bedeuten?»
«Mit dem Huttunen? Das ist doch ein Gockel. Da ist Sirkku mit ihren Ansprüchen aber ganz schön runtergegangen. Ich hab keine Ahnung, was für leidenschaftliche Gefühle Timo in seinem Herzen trägt, der gibt sich immer so wichtig. Vielleicht ist er insgeheim eifersüchtig auf alle, die mal mit Sirkku befreundet waren.»
Zum Schluss trug mir Jaana Grüße an alle auf, besonders an Tuulia. Ich bat sie, mich anzurufen, wenn ihr noch etwas einfallen sollte, das ihr wichtig erschien. Nachdem sie aufgelegt hatte, ließ ich vom Passbüro überprüfen, ob sich Jaana oder Franz Schön am vergangenen Wochenende in Finnland aufgehalten hatte. In Jaanas Fall konnte man das nicht sofort ermitteln, weil sie die finnische Staatsbürgerschaft behalten hatte, aber jedenfalls war, zumindest über die Flughäfen, kein deutscher Staatsangehöriger namens Franz Schön nach Finnland eingereist. Ich bat darum, auch noch nachzuprüfen, ob einer der beiden aus Deutschland ausgereist war, obwohl ein Verdacht gegen die Schöns zweifellos an den Haaren herbeigezogen war.
Die «Marlboro of Finland» war die ganze vorige Woche über den Atlantik geschippert. Von der Crew hatte keiner den Fuß auf festen Boden setzen können, also waren sowohl Peter Wahlroos als auch Jarmo Peltonen aus dem Schneider – ich hatte es auch nicht anders erwartet.
Hastig schlang ich in der Polizeikantine das Mittagessen herunter. Mein Fall war glücklicherweise noch nicht in den Schlagzeilen der Boulevardpresse aufgetaucht. Dem Vernehmen nach hatten einige Journalisten versucht, mich zu erreichen, aber die Zentrale hatte Anweisung, alle Anrufe von der Presse zu meinem Chef durchzustellen, der lediglich die Auskunft gab, Kriminalhauptmeister Kallio leite die Ermittlungen. Wenn die Zeitungen herausfanden, dass ich eine Frau war, würden sie eine Riesenstory daraus machen, das war mir klar, denn weibliche Ermittler hatten Seltenheitswert. Ich begegnete dieser Aussicht mit zwiespältigen Gefühlen. Einerseits konnte mein Beispiel andere junge Frauen ermutigen, einen etwas ausgefalleneren Beruf zu wählen, andererseits war ich auf die Publicity nicht unbedingt scharf, weil ich gar nicht so genau wusste, ob ich wirklich Polizistin sein wollte. Die größten Schlagzeilen galten an diesem Tag einem estnischen Freudenmädchen: «Estnisches Freudenmädchen raubte Freier aus», ereiferte sich «Ilta-Sanomat», während das Konkurrenzblatt «Iltalehti» verkündete: «Luxushure knöpfte Männern Geld ab.» Das versteht sich bei solchen Geschäften doch wohl von selbst, dachte ich.
Nachdem ich den überbackenen Fisch verdrückt hatte, kehrte ich in mein Zimmer zurück. Schon auf dem Flur hörte ich mein Telefon schrillen, und dank eines Fünfzig-Meter-Sprints schaffte ich es gerade noch rechtzeitig, den Hörer abzunehmen.
«Huikkanen hier, vom Labor, grüß dich. Ich hätte jetzt was über die Axt, wenn’s dich interessiert.»
«Schieß los!»
«Sie ist offenbar im Meer abgespült worden, den Salzspuren
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