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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Natürlich ist uns allen klar, dass jeder von uns als potenzieller Mörder gilt, solange der Fall nicht aufgeklärt ist.»
    «Habt ihr euch gegenseitig beschuldigt?»
    «Ein paar haben natürlich Antti im Verdacht, sie finden, dass er sich so absondert, ist ein Beweis für seine Schuld. Aber so denken nicht alle. Jyri behauptet, er hätte ganz sicher gehört, dass Antti in der Nacht in Jukkas Zimmer war, aber so betrunken, wie er war, konnte Jyri definitiv nichts gehört haben … Wenn Jukka wirklich ermordet worden ist, tippe ich nach wie vor auf Tuulia. Sie hat manchmal entsetzliche Wutanfälle.»
    «Ob es sich um Mord handelt, weiß ich noch nicht, aber in Vuosaari ist eine Axt gefunden worden, an der Jukkas Blut klebt. Deine Fingerabdrücke sind auch drauf. Hast du dafür eine Erklärung?»
    Mirja sah mich einen Augenblick verblüfft an, dann lächelte sie belustigt.
    «Deshalb hast du mich also herbestellt? Die Axt hab ich sogar zweimal in der Hand gehalten. Irgendwer hatte sie mitten auf der Saunaterrasse liegen gelassen, da hab ich sie aus dem Weg geräumt, damit niemand drüber stolpert. Und später am Abend war ich doch angeln und hab den großen Hecht gefangen. Ich hab zum Haus hochgerufen, jemand soll mir was bringen, womit ich ihn totmachen konnte. Da hat Antti die Axt aus der Sauna geholt und den Hecht erledigt. Wahrscheinlich ist sie dann auf dem Steg liegen geblieben. Wenn ich einen umbringen wollte, wäre ich ja wohl schlau genug, Handschuhe zu tragen, das kann man ja in jedem Krimi nachlesen», schnaubte Mirja. «Wessen Fingerabdrücke habt ihr denn noch gefunden, sicher Anttis? Der hat an dem Abend noch Holz gehackt, von den Jungs hat sich natürlich sonst keiner dazu bequemt. Antti sagt, Holzhacken macht ihm Spaß, und sein Bizeps ist ja auch danach.» Mirja wurde plötzlich rot.
    Ich erinnerte mich, dass Tuulia mir von Mirjas Schwärmerei für Antti erzählt hatte. Irgendwie erschien sie mir dadurch menschlicher. Einen schlechten Geschmack hat sie jedenfalls nicht, dachte ich, seufzte aber gleichzeitig enttäuscht. Für alles fand sich eine natürliche Erklärung. Natürlich musste Mirja nicht unbedingt die ganze Wahrheit gesagt haben. Es war durchaus möglich, dass Antti die Axt nach dem Holzhacken noch einmal benutzt hatte, er verfügte auf jeden Fall über genügend Kraft und die richtige Technik. Außerdem war der Schlag von oben geführt worden, und wenn Jukka im Stehen niedergeschlagen worden war, kam als Täter nur Antti infrage. Hatte Jukka allerdings gesessen, spielte die Körpergröße keine Rolle. Eigentlich fand ich Mirjas Bemühen, Antti zu schützen, ganz lustig. Immerhin schien sie es nicht für nötig zu halten, ihre Gefühle für ihn zu verbergen.
    «War sonst noch was? Meine Kaffeepause dauert nicht ewig, aber ich bin ja in der Nachbarschaft, da kannst du mich jeden Tag antanzen lassen», sagte Mirja unfreundlich, als ob sie ihre Redseligkeit schon bereute.
    Als sie gegangen war, fluchte ich wieder mal über meine Blödheit – als Entschädigung für die entgangene Pause hätte ich ihr wenigstens eine Tasse Kaffee anbieten können. Andererseits verwandelte so etwas eine Vernehmung schnell in familiäres Geplauder, und die Gefahr bestand bei diesem Fall nur allzu oft.
    War Mirja ruhig und beherrscht gewesen, so sah Antti wenigstens so aus, als ob er trauerte. Schwarze Jeans und schwarzes T-Shirt mochten seine Standardkluft sein, aber in Verbindung mit dem blassen Gesicht und den rot geränderten Augen wirkten sie wie Trauerkleidung. Was war wohl der Grund für die geröteten Augen: eine durchwachte Nacht, Alkohol, Tränen – oder vielleicht alles zusammen?
    «Grüß dich – wie war noch gleich dein Titel? Hauptmeister? Schon was ermittelt?», fragte er mit müder Stimme und ließ sich auf den Stuhl fallen.
    «Ja. Die Tatwaffe ist gefunden worden, mit deinen Fingerabdrücken drauf», gab ich unwirsch zurück. Über Anttis Feindseligkeit ärgerte ich mich viel mehr als über Mirjas. Und noch mehr ärgerte ich mich, weil ich mich ärgerte. Jukka war hübsch anzusehen gewesen, aber mit Antti hatte ich mich früher immer gern unterhalten. Im Übrigen sah auch er nicht gerade schlecht aus, Männer mit großem Mund und Hakennase hatte ich immer schon sexy gefunden. Eine Kreuzung aus Mick Jagger und Dustin Hoffman, das wäre ideal. Mit gespielter Gleichgültigkeit betrachtete ich den Bizeps, von dem Mirja gesprochen hatte. Das schwarze T-Shirt umspannte gut geformte Schultern. Das war

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