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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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obwohl einigen von ihnen anzusehen war, dass sie ihn auf dem Foto erkannten. Vielleicht war Koivu doch zu weich für den Job.
    Der Chor probte in den Räumen der Ostfinnischen Landsmannschaften in der Liisankatu. Durch ein offenes Fenster schallte der Gesang bis auf die Straße. Ich erkannte Kuulas Melodie: Stromab treibet mein Boot. Gerade dieses Lied hatten sie in Vuosaari geübt. Wollte der IOL es auf Jukkas Beerdigung singen?
    Der Aufzug war kaputt, ich musste zu Fuß in den vierten Stock. Im Treppenhaus wurde der Gesang immer lauter, brach zwischendurch ab und begann dann wieder von vorn. Ich fragte mich, ob das den Nachbarn nicht auf die Nerven ging.
    Die Tür war verschlossen, und es dauerte lange, bis auf mein Klingeln jemand aufmachte. Es war Mirja. Ich hatte den Eindruck, dass mein Anblick sie für einen Augenblick aus dem Konzept brachte.
    «Tag. Ich bin mit eurem Chorleiter verabredet», erklärte ich.
    «Wir machen in zehn Minuten Pause», erwiderte sie und stolzierte in den Proberaum zurück. Ich war ein wenig zu früh gekommen, und Toivonen schien es mit der Pause nicht eilig zu haben, sodass ich etwa zwanzig Minuten von der Probe mitbekam. Von der Seitentür aus hatte ich nicht nur den ganzen Chor im Blick, sondern auch den Chorleiter, der sich vorne abmühte.
    Da die Herbstsaison noch nicht begonnen hatte, waren nur rund zwanzig Sänger und Sängerinnen anwesend. Die Männer waren eindeutig in der Minderheit, an Tenören sah ich außer Jyri und Timo nur einen. Obwohl der Chor nicht vollzählig war, wirkte der Raum eng. Die Luft war trotz des offenen Fensters verbraucht und stickig.
    Toivonen stand beim Dirigieren auf einem zwanzig Zentimeter hohen Podest. Er war klein und dick, hatte eine Glatze und einen flatternden blonden Rauschebart. Seine Schlagtechnik war, gelinde gesagt, merkwürdig. Zumindest für mein ungeübtes Auge war es unmöglich, die Taktart oder gar den ersten Takt zu erkennen. Beim Dirigieren sang er mal die eine, mal die andere Stimme mit, wie ein leibhaftiger Glenn Gould. Das zu kurze Hemd rutschte ihm ständig aus der ausgebeulten Jeans, und er stopfte es mit der freien Hand immer wieder in den Hosenbund. Vor Auftritten, so hatte ich gehört, pflegten die Frauen im Chor zu kontrollieren, ob Toivonens Haare ordentlich gekämmt waren und ob er die Stimmgabel eingesteckt und den Hosenschlitz zugemacht hatte. Vielleicht glaubte er, seine Zerstreutheit weise ihn als wahren Künstler aus.
    «Maul halten, Tenöre!», brüllte Toivonen auf einmal. «Könnt ihr keine Noten lesen? Das ist das Bass-Solo!»
    Ich sah, dass Timo verlegen errötete. Neben ihm grinste Jyri schadenfroh.
    «Fangen wir gleich nochmal von vorn an. Es gibt im ganzen Lied noch holprige Stellen. Sopran und Alt, bitte einen deutlichen Unterschied zwischen den punktierten Achteln und den Triolen oben auf Seite zwei. Und der Bass bitte nicht so schleppend! Vom Anfang! Zweiter Sopran, habt ihr das d?»
    Toivonen bekam den gewünschten Ton in mindestens zwei Versionen zu hören. Die anderen Stimmgruppen seufzten gequält. Offensichtlich wiederholte sich dieses Schauspiel allzu oft.
    «Die höhere Version ist die richtige», bemerkte Toivonen trocken und gab dem zweiten Sopran den Einsatz. Zuerst war kein Piepser zu vernehmen. Dann fing jemand an, sehr unsicher, und aus der Altreihe erhob sich eine Stimme, die den zweiten Sopran verstärkte. Der Einsatz endete in allgemeinem Chaos.
    «Sei doch still, Mirja, du bringst ja alles durcheinander!», rief Piia überraschend forsch.
    «Was ist denn bloß so schwierig an dem Einsatz?», forschte Toivonen und kratzte sich den kahlen Schädel.
    «Wir trauen uns nicht anzufangen, weil alle nur darauf warten, dass wir was falsch machen», erklärte die mollige Rothaarige neben Piia beklommen.
    «Ich kann ja mit denen mitsingen, bis der zweite Alt seinen Einsatz hat», schlug Mirja vor und erntete heftigen Widerspruch. Es dauerte eine ganze Weile, bis Toivonen die Ruhe wiederhergestellt hatte.
    «Das hört sich idiotisch an, wenn du vom anderen Rand her mit dem zweiten Sopran singst. Tuulia, vielleicht könntest du den ersten Takt mitsingen», meinte er schließlich.
    Die Lösung schien praktikabel, es ging endlich weiter. Ich hörte konzentriert zu und merkte plötzlich, dass es eigentlich ein sehr bewegendes Lied war, wie geschaffen für Jukkas Beerdigung: «Stromab treibet mein Boot, welches Schicksal ihm droht, kann keines von uns Menschenkindern wissen.»
    Jetzt klang es schon

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