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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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gaben zwar zu verstehen, dass sie mal etwas mit Jukka gehabt hatten, aber das lag offenbar schon länger zurück.
    Erst Anu, die mollige Rothaarige vom zweiten Sopran, hatte etwas Interessantes zu berichten.
    «Das letzte Mal, als ich Jukka gesehn hab, da haben wir Kyykkä gespielt und sind danach ins ‹Kolme Liisaa› Bier trinken gegangen. Das Frauenklo, das die da haben, ist ziemlich eng, ich musste draußen warten, direkt neben dem Telefon, und da hat Jukka gerade mit jemand gestritten.»
    «Worüber?»
    «Über irgendwelche Summen. Er hat gesagt, ein Fünftel jetzt, mehr ist nicht drin, schnall das endlich. Dann hat er mich gesehen und noch gesagt, hör zu, Alte, ich kann jetzt nicht sprechen, und hat aufgelegt. Mich hat er angeschnauzt, was zum Teufel ich da herumschnüffeln würde. Es muss irgendwas Wichtiges gewesen sein.»
    «Jukka hat also mit einer Frau gesprochen?»
    «Den Eindruck hatte ich.»
    «Wer von euch war bei dem Kyykkä-Spiel dabei, und wer ist mit ins Lokal gegangen?»
    Anu sah mich verschmitzt an. Sie schien zu begreifen, worauf ich hinauswollte.
    «Alle Üblichen. Wenn ich mich nicht völlig falsch erinnere, alle, die jetzt auch in dem Sommerhaus waren. Nee, stimmt nicht, Antti war nicht dabei. Deswegen hat die Mirja so enttäuscht ausgesehen. Die ist nach dem Spiel auch gleich nach Hause, die war nicht mit im ‹Kolme Liisaa›. Aber sie kann noch nicht zu Hause gewesen sein, als ich Jukka am Telefon gehört hab, sie wohnt ja so weit weg.»
    Von den anderen erfuhr ich nichts Aufschlussreiches. Am liebsten hätte ich noch mit Tuulia gesprochen, einfach so, aber mir fiel kein passender Vorwand ein. Vielleicht genierte ich mich auch ein wenig, ich hatte das Gefühl, ihr beim Bier zu viel über mich verraten zu haben.
    In meinen Schläfen und Gliedern spürte ich die Nachwirkungen der Verhöre, die ich in der letzten Nacht geführt hatte. Aber trotz meiner Müdigkeit hörte ich noch eine Weile zu, als der Chor den bekannten Bach-Choral probte, und sang sogar leise die Sopranstimme mit.
    Wo Jukka wohl gesessen hatte? Als erster Bass war sein Platz in der Mitte der letzten Reihe gewesen. Ob der Bass ohne ihn anders klang?
    Jukka hatte offenbar mit einer Frau über Geld gesprochen. Hatte er Schulden bei ihr? War das die Erklärung für das teure Auto und den Luxusplunder? Hatte er von Jyri Geld haben wollen, um es dieser Frau geben zu können?
    «Warum müssen wir eigentlich unter polizeilicher Aufsicht proben? Glaubst du, dass bald noch einer stirbt?» Antti war im Flur aufgetaucht und marschierte zum Telefon. Aus den ersten Worten, die er in den Hörer sprach, ging hervor, dass er sich bei Peltonens nach den Einzelheiten der Trauerfeier erkundigte. Ich streckte seinem Rücken, der wieder in einem schwarzen T-Shirt steckte, die Zunge raus und knallte die Tür hinter mir zu.
    Ein schrecklicher Typ, dachte ich, während ich die Treppe hinunterrannte. Erst bietet er mir von seinem Blumenkohl an, dann schießt er seine Giftpfeile ab. Überhaupt waren die alle verkorkst. Chorgesang galt als respektable Freizeitbeschäftigung, aber nach der Probe zu urteilen, die ich gerade miterlebt hatte, trainierte man dabei vor allem seine Niedertracht. Bestimmt hatte jedes Chormitglied schon mal den Wunsch verspürt, seinen Nebenmann oder den Chorleiter ins Jenseits zu befördern.
    Im Kaisaniemi-Park stieß ich zufällig auf zwei ehemalige Kommilitoninnen, die auf dem Weg ins Bahnhofsrestaurant waren. Ich ließ mich nur zu gern überreden mitzukommen. Das Putzen lief mir nicht davon, und ausschlafen konnte ich auch noch, wenn ich pensioniert war.
     

 
     
     
     
Neun
     
     
    Erde, Himmel und Meer, alles muss vergehn
     
    Das Arbeitstempo blieb hektisch. In der zweiten Wochenhälfte beschlich mich das Gefühl, die Hälfte der Einwohner hätte sich in den Kopf gesetzt, ihren Ehepartner zu verprügeln. Nachdem ich innerhalb von drei Tagen fünf Fälle familiärer Gewalt untersucht hatte – eine getötete alte Mutter, zwei verprügelte Ehefrauen, ein im Suff vom Balkon gestoßener Ehemann und ein mit dem Jagdgewehr des Vaters zum Krüppel geschossener kleiner Bruder –, war ich bereit zu schwören, nie zu heiraten oder mir Kinder zuzulegen. Über den Fall Jukka hatte ich nur gelegentlich nachdenken können, aber immer wenn ich in den Akten las, tauchten neue Fragen auf.
    Jukkas Vater hatte die illegale Vorauszahlung des Erbteils energisch bestritten, allerdings traute ich ihm nicht ganz. Eine Vernehmung von

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