Alle Singen Im Chor
eines Telefongesprächs aufgegangen.»
Obwohl ich Anu aus dem Chor nicht gleich erreichte, ließen der Kaffee und Tapsas Informationen den Tag ein bisschen freundlicher aussehen. Auch die Strophe aus dem Popeda-Song war allmählich komplett: Drogen, Schnaps, Frauen und Geld. Vielleicht sollte ich mich erst mal dem Thema Geld zuwenden.
Jyri war nicht zu Hause. Ich rief an seinem Arbeitsplatz an, wo man mir die Nummer seines Autotelefons gab.
«Maria Kallio hier. Komm mal in Pasila vorbei, wenn du deine Pizzen ausgeliefert hast. Dein Chef weiß Bescheid. Und ich rate dir herzukommen, wenn du nicht verhaftet werden willst.»
Nach einer guten halben Stunde stand Jyri in meinem Büro. Offenbar bestellten die Leute Sonntagvormittags Anchovis- und Salamipizza gegen ihren Kater, jedenfalls stachen diese beiden Duftnoten aus der Dunstwolke hervor, die ihn umgab. Vielleicht hatte Jyri aber auch selbst eine vertilgt. Mein Hungergefühl meldete sich wieder.
«Du hast wohl keine überzählige Pizza im Wagen?», fragte ich hoffnungsvoll. Jyri schüttelte den Kopf. Er wirkte verkatert und nervös.
«Ist es auf der Trauerfeier spät geworden?» Ich winkte ihn auf den Besucherstuhl mir gegenüber, sodass er die Kopien der Kontobücher des IOL auf meinem Tisch nicht übersehen konnte. Zum Glück hatte ich trotz des hektischen Aufbruchs am frühen Morgen nicht vergessen, sie mitzunehmen.
«Tuulia und ich haben noch in ’ner Kneipe gesessen, mindestens bis zwei», erwiderte Jyri matt. Ich nahm eins der Kontobücher in die Hand und erklärte:
«Ich hab mir die Abrechnungen ziemlich genau angesehen und die Belege mit den Kontoauszügen verglichen. Du hast mir nicht die ganze Wahrheit über deine Schulden bei Jukka gesagt. Du kannst wegen Unterschlagung und Urkundenfälschung angeklagt werden. Jukka hat bei der Buchprüfung gemerkt, was du getan hast, aber er hat versprochen, dir Geld zu leihen, um den Fehlbetrag auszugleichen und Antti, dem zweiten Buchprüfer, die ganze Sache zu verheimlichen. Warum?»
In Jyris katerbleichem Gesicht waren rote Flecken aufgetaucht.
«Er war mein Kumpel … Dem war doch klar, dass ich das Geld nich für immer unterschlagen wollte. Aber es war nich mehr lange bis zur Jahresversammlung, und da mussten die Konten stimmen, und ich hatte kein Geld … Er hat gesagt, er leiht es mir.»
«Und hat sich zum Komplizen gemacht, indem er einen falschen Revisionsbericht schrieb? Warum bloß? Und wieso wollte er sein Geld gerade jetzt zurück?»
«Ich glaub, er wollte verreisen», brachte Jyri mühsam heraus. «Das meiste, was ich dir über den Donnerstag erzählt hab, ist die Wahrheit. Aber er hat gedroht, er erzählt der Polizei, dass ich Geld vom Chor unterschlagen hab. Er hat gesagt, dafür kann man ’ne Bewährungsstrafe kriegen, er kannte irgendwen, der für noch weniger Geld …»
«Wann solltest du das Geld zurückzahlen?»
«Er hat mir bis Montag Zeit gegeben.»
«Und wie wolltest du die Summe auftreiben?»
«Ich wollt alles Mögliche zur Pfandleihe bringen. Die Stereoanlage, den Fernseher, meine Lederjacke …», erklärte Jyri niedergeschlagen.
«Aber am Samstag war Jukka plötzlich tot, und du warst deine Sorgen los. Wenn du ihn aus Wut und im Suff niedergeschlagen hast, dann gib’s jetzt zu! Mit einem freiwilligen Geständnis kommst du leichter davon!»
Jyri hatte den Kopf in den Händen vergraben. Er tat mir beinahe Leid. Mörder oder nicht, die gefälschten Bücher musste ich wohl dem Dezernat für Wirtschaftskriminalität übergeben. Vielleicht würde Jyri aus dieser Schande etwas lernen. Ein paar Tausender waren Kleinkram im Vergleich zu dem, was sich zum Beispiel in Bankkreisen andauernd abspielte. Aber so war es nun mal: Man konnte Milliarden verschwinden lassen und dabei sogar erwischt werden und erhielt schlimmstenfalls die Kündigung bei vollem Rentenanspruch, aber wenn man ein paar Tausender unterschlug, bekam man eine Bewährungsstrafe. Und der arme Antti hatte in gutem Glauben den Revisionsbericht unterschrieben, den Jukka zusammengestoppelt hatte, und sich damit mitschuldig gemacht. Musste ich Jyri wirklich den Staatsanwalt auf den Hals hetzen? Hatte ich das Recht, es nicht zu tun?
«Ich hab Jukka nicht umgebracht», sagte Jyri mit weinerlicher Stimme. «Ich war bloß wahnsinnig enttäuscht, als er sich auf einmal quer gestellt hat. Aber ich hätt meine Sachen gleich am Montag ins Pfandhaus gebracht, ich hätt das Geld schon irgendwie zusammengekratzt … Tuulia wollte mir
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