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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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seine Ermordung auch unter diesem neuen Aspekt betrachten. Hatte womöglich die Russenmafia ihre Finger im Spiel? Der Gedanke klang längst nicht mehr so weit hergeholt wie noch vor ein paar Jahren, denn die Kriminalität in der Hauptstadtregion war in letzter Zeit deutlich internationaler geworden. Und Jukka hatte doch an einem finnisch-estnischen Gemeinschaftsprojekt gearbeitet … Vielleicht war der Mörder doch kein Chormitglied?
    Koivu hatte seinem Bericht noch eine handschriftliche Notiz hinzugefügt: «Kannten Martti Mäki. Er trifft dort öfter einen hübschen Jungen namens Tomppa. Heute war keiner der beiden da.»
    Sofort wählte ich die Nummer der Mäkis, aber es nahm niemand ab. Ein gewisser Tomppa also? Die Ehe der Mäkis wirkte immer rosiger. Ob Marja Mäki von den sexuellen Neigungen ihres Mannes wusste?
    Mir knurrte der Magen, und in meinen Schläfen machte sich der Koffeinmangel bemerkbar. Ich lief die Treppe zur Kantine hinunter, dort schmeckte der Kaffee immerhin besser als aus dem Automaten. Auf der Tageskarte standen so furchtbare Gerichte – Niereneintopf und in Milch gekochte Frühlingssuppe –, dass ich mich trotz des Fettfilms, der sie überzog, für eine karelische Pirogge entschied.
    An einem der Fenstertische saß ein alter Bekannter von der Polizeischule, Tapsa Helminen. Er hatte sich beim Rauschgiftdezernat beworben, sobald es möglich war. In der ersten Zeit an der Schule hatte er mich angepflaumt, sooft er nur konnte, aber damit war Schluss gewesen, nachdem ich ihm im Selbstverteidigungskurs fast den Unterarm gebrochen hätte. Ich hatte es mit Absicht getan und schämte mich beinahe, wenn ich jetzt daran dachte. Im Übrigen hatte ich ihn meinerseits ja auch gefrotzelt. Tapsa Helminen hatte nämlich eine sehr ausgeprägte Nase, und ich hatte mehr als einmal gesagt, das Rauschgiftdezernat könne seine Hunde abschaffen, wenn er dort anfing. Tapsa war ganz in Ordnung, nur ein wenig zu diensteifrig, er machte keinen Unterschied zwischen einem Joint und einer Hundert-Gramm-Lieferung Amphetamin.
    «Bei euch geht’s rund, wie man hört», sagte ich, als ich mich zu ihm setzte. «Uns habt ihr ja auch um Ermittlungshilfe gebeten, aber bei uns ist im Moment keiner frei.»
    «Na ja», seufzte Tapsa. Die Schatten unter seinen Augen deuteten darauf hin, dass er in der letzten Nacht vermutlich noch weniger geschlafen hatte als ich. «Ärgerliche Sache. Dauernd tauchen neue Banden auf, und jetzt haben wir einen Dealer und ein paar Straßenhändler geschnappt und kommen nicht weiter. Zumindest ein Teil von dem Stoff ist über die Ostgrenze gekommen, oder müsste man inzwischen Südgrenze sagen, aus Estland jedenfalls. Wir waren ein bisschen voreilig mit dem Verhaften, wenn wir etwas länger gewartet hätten, wären uns ein paar größere Fische ins Netz gegangen. Die Straßenhändler behaupten, sie wüssten nicht, woher der Stoff kommt, und der Dealer sagt vor lauter Angst kein Wort. Allem Anschein nach steht eine ziemlich große Organisation dahinter.»
    «Das klingt ja richtig bedrohlich.»
    «Ja, es wird immer härter. Es geht längst nicht mehr um irgendwelche Studenten, die auf Interrail-Touren Cannabis schmuggeln. Das ist eine ganz andere Größenordnung. Wir brauchten unbedingt mehr Männer, pardon, mehr Leute, aber dafür ist scheinbar kein Geld da. Wie sieht es denn bei euch aus?»
    «Ganz genauso. Das Überstundenbudget ist längst überschritten, mehrfach sogar. Weißt du irgendwas über Typen, die Frauen aus Osteuropa vermitteln?»
    «Das ist natürlich eher eine Sache für die Sitte, aber zum Teil sind da wohl die gleichen Typen aktiv wie im Drogenhandel. An die kommt man nicht ran. Das geht allmählich zu wie bei Miami Vice. Die reden sich sogar mit Codenamen an. IX und ÄM und so weiter.»
    In meinem Kopf klickte es.
    «ÄM? In welchem Zusammenhang?»
    «Der hatte auf den Anrufbeantworter von diesem Dealer gesprochen und gefragt, wo die Übergabe stattfinden soll. Wieso?»
    «Ich ermittle gerade in einem Mordfall. Auf dem Anrufbeantworter des Toten ist auch eine Nachricht von einem ÄM. Können wir die Bänder mal vergleichen?»
    «Meins ist im Labor. Kommt morgen zurück. Ich meld mich, wenn ich es kriege. Hast du irgendeine Vorstellung, wer dieser Ämmä sein könnte?»
    «Was sagst du? Ämmä! Natürlich! Sie hat gesagt, Jukka hätte mit einer Alten gesprochen, mit einer akka, aber für Alte kann man ja genauso gut ämmä sagen. – ’tschuldige, Tapsa, mir ist gerade die Bedeutung

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