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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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Dabei brülle ich: Blut und Boden! Hundegeruch, Flussgeruch! Der Pestgeruch der Wasserleichen, aneinander gepresst wie die Schweinerücken im Transport, verflucht, verflucht! Ich schlage zu, verflucht, verflucht!, aber nach jedem Schlag erneuert sich die Haut auf meinen Fingerknöcheln, um sich jedes Mal neu abschürfen zu können. Ich muss schneller schlagen, damit sich die Haut nicht mehr erneuern kann, vielleicht wird mir der Blutverlust helfen aufzuhören. Oder vielleicht saugt der Sandstein mich auf, bis die ganze Stadt voll gesogen ist und zitternd dasteht wie ein Blutpudding, eine Speise für Götter.
    Ich weiß auch nicht, warum ich jetzt schluchze. Eine Rolle Klopapier wäre gut. Erstens die Kosten und zweitens erinnert mich so eine Rolle an die Unendlichkeit. AN DIE SCHEISSUNENDLICH-KEIT! Ein erwachsener Mann ohne Taschentuch. Ohne Hände! Ohne Nase, verdammt! Das ist nur der Duft der Erinnerung. Der Scheißduft der Scheißerinnerung!

    Bis ich hierher gekommen bin, bin ich doch traurig geworden. Oder nicht traurig. Nostalgisch war ich nie, auch Illusionen habe ich mir nie gemacht. Doch, einmal. Kinderliebe. Egal jetzt. Darum geht es lange nicht mehr. Wovon ich rede … Wovon ich rede, sage ich nun, nicht zu leise, klar, ist mein neues Vaterland: die Scham. Jetzt und hier habe ich den Frieden praktiziert, alle Tage, ja. Weil es möglich war. Und wenn der Preis dafür war, meine Geschichte, also meine Herkunft, also mich zu verleugnen, dann war ich mehr als bereit, diesen zu zahlen. Aber in Wahrheit war ich doch allzu oft ein Barbar. Guten und nicht so Guten gegenüber. Die Liebe war nur noch als Sehnsucht in mir. Ich hatte Glück, Fähigkeiten und Möglichkeiten, man kann nicht einmal sagen, ich hätte sie gänzlich vergeudet, trotzdem bin ich heute verloren. Ich habe mich einfach zu sehr geschämt. Nicht am richtigen Ort, oder am richtigen Ort, nicht der richtige Mensch zu sein. All meine Kraft ging für die Scham drauf, von morgens bis abends und auch in der Nacht. Erniedrigende, verzweifelte Scham. Dass ich herkomme, wo ich herkomme. Dass passiert ist, was passiert ist.
    Pause, dann kaum hörbar:
    Eines Tages ist der talentierte Mensch, der ich bin, einfach verzweifelt. In dem Moment, Stunden oder Jahre später, als ich begriff, dass der Augenblick in meinem Leben, in dem ich am meisten bei mir war, der reinste und befriedigendste, jener war, in dem ich das Fenster hinter dem Theater eintrat. So und nicht anders ist es.
    Sehr lange Pause. Dann, leise:
    Ich lege die Münze hierhin. Wenn du sie noch haben willst und gerade vorbeikommst, kannst du sie dir nehmen. Ich verspreche, dir nichts zu tun. Was anderes kann ich zu meiner Entlastung nicht vorbringen.

    Kaum habe ich die Münze aus der Hand gelassen, hebt ein Glockengeläut an, oh, mein Gott, muss das sein, so ein schmerzlich peinliches Brimborium. Introitus, Kyrie, Graduale, Tractatus, Sequenz, Offertorium, Sanctus, Sanctus, Sanctus, Sanctus, Gott ist mit uns, mit uns, mit uns, mit uns. Es treibt sie mir zu, alle kommen jetzt, meine Succubae, sie tanzen um mich herum. Sie tragen typische Gegenstände bei sich, damit ich sie erkenne, eine Kettensäge, einen Wanderstock. Wanda, die zur Hälfte ihr Bruder ist, der apfelköpfige Konstantin, Eka mit dem Baby. Die blonde Elsa trägt einen Engelskopf aus Gips unter dem Kleid, umarmt fest den Kugelbauch, damit er nicht hinausplumpst unter alle Leute, einen halben Stadtteil zermalmt und den Papststuhl kostet. Und hier, meine Frau, ihr Name ist Gnade, sie tanzt – Wie freue ich mich! – Wange an Wange mit meiner goldbehelmten Patin. Sie singen:
    Min bánat engele for
    Ki häret sillalla tur
    On vér quio vivír
    Mu kor arga kun tier
    Und über allem, pausenlos, das Glockengeläut. Es treibt uns vor sich her, hinaus aus diesem bizarr geschnittenen Universum, leicht wie die Samen des Löwenzahns fliegen wir. Ist das der schließliche Tod? Wie weit kann es uns treiben? Werden wir in den luftleeren Raum hinausfallen? Wäre das möglich? Nein, das ist nicht möglich. Das ist nicht möglich. Das ist nicht… Ich werde nicht sterben. Verdammt. Oder nicht verdammt. Nach und nach überholen sie mich. Irgendwann bin ich wieder allein. Schwebe ohne Gewicht. Hier könnte ich auch bleiben. Indem ich zum Beispiel die Augen nicht öffne. Sagen wir, für die nächsten dreitausend Jahre. Dann sehen wir weiter. Ein Besucher aus der Vergangenheit sein, über so was habe ich viel gelesen als Kind. Beim Gedanken daran treten nun

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