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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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seiner Provinzstadt, heulte wie ein Schlosshund und schwang die Faust, damals war es noch nicht so schick, schwul zu sein, man legte ihm nahe zu heiraten, er lehnte ab, eigentlich eine löbliche Haltung. Heute denkt er, schreiben zu können, nette kleine Bücher mit Anekdoten aus der alten Heimat.
    Anekdoten sind eine hohe Kunst, meine Liebe. Sein Name ist Simon. Er beobachtet erstens alle, ein unerschöpflicher Brunnen, andererseits, natürlich, unseren schönen, jungen Helden.
    Hihihihi, denkt Aida. Hihihi.
    Später laufen ihr die Augen voller Tränen, und sie geht ohne eine übliche Höflichkeit auf ihr Zimmer, die Ärmste, der Platz neben Abel wird frei. Der Mann namens Simon setzt sich um.
    Pause. Dann, leise, vertraulich, etwas singende Stimme dicht an seinem Ohr:
    Wie heißen Sie?
    Wenig später geht er, Abel geht mit. Oh, der alte Wüstling! Konstantin, der weiß, was sich gehört, bietet ebenfalls an zu gehen.
    Nicht nötig, sagte Abel. Er ging auch diesmal ins Sprachlabor. Oh, wenn sich zu jugendlicher Energie auch noch Fleiß gesellt und seltsam schielende Blicke sich ins Anerkennende wenden! Und Sie, lieber Freund, bleiben Sie doch noch ein bisschen. Konstantin mit der verbundenen Hand setzte sich würdevoll an seinen Platz zurück.

    Das nächste Mal bekam er eine eigene Einladung. Er ging alleine hin. Er kicherte: Man hat dich vermisst! Mindestens zwei blutjunge Damen waren extra deinetwegen da!
    Später war es nicht mehr lustig. Wieso kommt der schöne Mann nicht mehr? Er ist auf einer Geheimmission, sagte Konstantin düster. Ich glaube nicht, dass er jemals wiederkommt.
    Die blutjungen Damen verzogen den Mund.
    Und dazu kleiden sie sich wie die Babynutten. Ich muss dir ganz ehrlich sagen, sagte Konstantin später zu Abel: Es näher zu kennen, bedeutet, auch den Ekel zu kennen, wenn du verstehst, was ich meine. Echte Solidarität? Er winkte ab. Eine Förderung habe ich auch nicht bekommen. Alles in allem würde ich (Konstantin) dieses Intermezzo unter »Der lehrreiche Verlust einer Täuschung« zusammenfassen.

Transit
    Das Gute an einer wechselvollen Jugend ist, sagte Konstantin eines Tages zur Fensterscheibe, dass uns jetzt praktisch nichts mehr passieren kann. Uns kann nichts mehr passieren, murmelte er in den Nebel. Das heißt, sagte er nach einer kleinen Pause, es kann uns alles passieren. Es passiert alles. Es wird alles passieren. Natürlich. Was möglich ist, passiert. Darum geht es nicht. Worum es geht, ist, dass uns, während uns das annähernd Nichtigste in unserer Existenz bedrohen kann, uns das annähernd Grausamste kaum mehr in der Seele zu erschüttern vermag.
    Er sah sich um. Die Piazza war leer, bis auf ein hässlich gemustertes Sofa, wer weiß woher, es war schon da, bevor der Erste von ihnen einzog. Wie Gott , sagte Konstantin und lachte, wurde aber ganz rot im Gesicht. Gott als Sofa. Ein Schlaf sofa! Unter Pals Tür glomm das übliche blaue Licht, zu hören war nichts. Abel schien nicht zu Hause zu sein.
    So sieht es aus, sagte Konstantin bedeutungsschwer zum Sofa.
    Später kam Pal aus seinem Zimmer, sah, dass dort, wo Konstantins Atem sie traf, die Fensterscheibe sichtbar stumpf geworden war. Das wäre ja noch gegangen, aber diesmal, nach stundenlangem Gemurmel aus dem Wohnzimmer, dass einem sogar das Pissengehen verleidet wird, fand Pal zusätzlich den Abdruck einer fettigen Stirn und einer Nase an der Scheibe vor. Mit einem Disgusting! – er fluchte gerne englisch – verschwand er wieder in seinem Zimmer. Bald wurde ihm allerdings klar, dass er den Gedanken an diese Fettflecke nicht würde aushalten können, also ging er – unter erneuten Flüchen – wieder hin und wischte die Flecke weg. Das ging nicht einfach, der Dreck war hartnäckig, er rieb daran herum, schmierte den Fleck hin und her, dann sah er, dass im Grunde das ganze Fenster besudelt war, woraufhin er in einer Wutattacke die ganze Scheibe und! den Rahmen blank polierte. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen.
    Oha, sagte Konstantin, als er nach Hause kam. Was für ein Ausblick!

    Nachdem seine etablierten Hoffnungen enttäuscht worden waren, widmete sich Konstantin wieder seiner eigentlichen Mission . Als Kind wollte ich Mission ä r werden. Warum bin ich nur kein Missionär geworden? Noch ist es nicht zu spät, sagten ein litauischer Kirchenmusiker, ein albanischer Dichter, ein slowenisch-polnisches Pärchen auf der Hochzeitsreise, eine ehemalige ungarische Prostituierte, eine Studentin aus Andalusien mit ihrer

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