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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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Freundin. In zwei der drei Letztgenannten war Konstantin verliebt. Später stand er am Fenster und schimpfte, besonders auf die ehemalige Hure. Ausgerechnet die! Und so weiter. Tataren, Tschetschenen, Iren, Basken. In den nächsten Monaten hörte das Kommen-und-Gehen auf der Piazza praktisch nicht mehr auf. Mit der gleichen Intensität, mit der sich Abel und Pal durch die Landschaften ihrer jeweiligen Territorien arbeiteten, vernachlässigte Konstantin sein Studium zugunsten seiner Lamenti einerseits und seiner Expeditionen andererseits. Wenn er nicht redete oder aß, war er in der Stadt unterwegs. Sie kennen lernen, wenn man schon da ist. In Wirklichkeit trieb er sich fast nur auf dem Bahnhof und dessen Umgebung herum, denn sein wahres Ziel war es, Leute zu finden, denen er ein Obdach bieten konnte. Er quartierte seine Leute auf dem Sofa namens Gott ein und bewirtete sie herzlich mit dem Wenigen, das er hatte. Wenn wir um etwas wissen, dann ist es die enorme Wichtigkeit des Netzwerks. Hier, in diesem kleinen Büchlein, schrieb er die Adressen sämtlicher seiner Gäste auf. Wohin ich auch komme, ich werde gerne gesehen sein. Die Abchasen, Lappen, Esten, Korsen und Zyprioten nickten. Vielleicht, sagte Konstantin, wird sich das eines Tages als meine wahre Berufung herausstellen: Der Mann, der zu Besuch kommt.
    Im Schneidersitz auf Gott sitzend, diskutierte er mit ihnen nächtelang die internationale Lage. Eine wahre Staatsgründungsepidemie, missversteht mich nicht, ich bin voller Verständnis, gepaart mit all dem, was dazu gehört, Völkerwanderung, das ist übrigens mein Spezialgebiet, wenig überraschenderweise ist Fremdenfeindlichkeit ein großes Thema hier und woanders, neue Löwenmännchen beißen die Jungen ihrer Vorgänger tot, dafür ist unser Kiefer nicht kräftig genug, aber - - -
    Schluss! rief der Blonde Pal alle paar Wochen, wenn man schon wieder seit Tagen! nicht treten konnte, weil ständig! einer da war. Blockieren den Fernseher!, verstopfen das Klo!, kochen ihr stinkendes Essen!, ficken laut auf dem Sofa und jaulen! Nächtelang! Manche haben sogar Instrumente dabei! Reiskocher! Ferngesteuertes Spielzeug! Und sie benutzen all das auch. Eines Tages werde ich nach Hause kommen, und ein gemütliches Lagerfeuer! wird in der Mitte des Zimmers! lodern! Schluss! sagte er, hörst du!, mit diesem verdammten! Transitbahnhof in meiner Wohnung!
    Aber du hast doch einen Fernseher in deinem Zimmer, jammerte Konstantin. Stand auf der Piazza, auf dem wüstensandfarbenen Belag, seine Windmühlenarme wirbelten, er dirigierte eine unsichtbare Stoßzeit, die Ströme oder Rinnsale der Durchreise, Menschentrecks, Tierherden, Autokolonnen, er verschwand fast hinter dem aufgewirbelten Staub. Abels Locken flatterten, als er ihm, auf dem Weg zur Tür, ins Labor, auswich.
    Der Blonde Pal wies Konstantin auf die Worte »an Dritte«, »überlassen« und »verboten« in der Hausordnung hin. Das nächste Mal, wenn ich hier jemanden aus dem Welttransitstrom antreffe … Es gibt hier Leute, die wollen verdammt noch mal arbeiten!
    Da ich selbst in einer prekär zu nennenden Lage bin, sagte Konstantin zu Abel, wäre es sicher klüger, Pal oder der Hausordnung Folge zu leisten und niemanden mehr herzuholen, aber das wäre so (theatralisch, laut, damit es in sämtlichen Zimmern zu hören ist), als würde man mir meine elementare Menschlichkeit verbieten!
    Ob Pal über Abel Bescheid wusste, weiß man nicht, darüber äußerte er sich nie. Solange einer die Fresse hält, ist’s mir egal. Im Alltag begegneten sie sich kaum. (Frühmorgens in der Küche, einmal. Sie stießen in der Tür zusammen. Pardon, sagte Abel, mit einer vom nächtelangen Üben rauhen Stimme, woraufhin Pal ihn überrascht und wie fasziniert ansah. Pardon, sagte Abel und entzog sich dem Türrahmen. Das war alles.) Ich halte ihn (Pal), ehrlich gesagt, zu allem fähig, sagte Konstantin, aber er konnte einfach nicht davon lassen. Er quartierte weiter Leute ein. Wenn er mit seinen Sprachrudimenten von ohrenbetäubend schlechter Grammatik und Aussprache – und es war auch nach Jahren keine Verbesserung festzustellen – nicht weiterkam, klopfte er an Abels Tür. Da sei jemand, dessen Sprache er nicht spreche, was ist das, Polnisch?
    Nein.
    Tschechische Drillinge, oder nein: zwei Cousins und ein Freund, alle auf die gleiche Weise ausgeblichen: Jeans, blonde Haare. Konstantin hatte sie orientierungslos in der U-Bahn gefunden.
    Abel kann weder Polnisch noch Tschechisch.
    Stell

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