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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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Vielleicht wie ein Zug, sagen wir, sie roch ganz versteckt nach einem Zug.
    Als wäre es gestern gewesen. Vorgestern. Nahe Bekannte. Eine Grundschullehrerin aus B., die einmal zwölf Stunden zwischen unförmigen Gepäckstücken mit mir saß und ihr gesamtes Leben erzählte, von Mein Großvater war Anarchist, einmal werde ich eine Geschichte über ihn schreiben und eine Kneipe nach ihm benennen, über Gedichtinterpretationen (er hatte gerade Abitur gemacht und konnte, wenn auch in Maßen, mithalten. Bist ein kluger Junge, und hübsch und brav auch, deine Mutter ist bestimmt stolz auf dich. Sie zwinkerte. Wie alt schätzt du mich? Und schweigsam und höflich …) bis zu den letzten Skandalen mit einem gewalttätigen Liebhaber, nach so etwas, das ist verständlich, muss man wohin. Losgefahren auf eine Sommertour und dann hier hängen geblieben, genau wie du. Mensch, dass ich dich noch mal wieder sehe, wie geht es meinem Patenkind?
    Nun, inzwischen ist allerhand passiert, wundersame Fähigkeiten, Glück, unter anderem, inklusive Nebenwirkungen. Sage das nicht. Sage einfach:
    Danke, gut. Und dir?
    Ich könnte viel klagen und noch mehr fluchen.
    Sie lachte. Sie fing an, ihn zu kneifen, überallhin, in die Wangen, die Seite, den Penis. Die Kniffe kribbelten den ganzen Abend. Am nächsten Tag schmerzte auch der Rücken, aber er hatte vergessen, wieso.
    Kinga war mit den Musikern gekommen, den Männern da, die so vorsichtig zwischen den Instrumenten herumgehen. Zwischen den Bühnenbrettern kann man durchgucken. Die Jungs aus dem Zug, hatte er sie damals schließlich getroffen? Nicht, dass ich mich erinnere. Ich stell’ dich vor! Sie schleifte ihn durch die Menge, einen großen Rucksack durch eine volle Metro, hier war man gelassener.
    Das sind Janda, Andre und Kontra, Schlaginstrumente, Zimbal und Gitarre und wie der Name schon sagt: Kontrabass, und das hier ist Abel aus dem Dickicht, mein Patenkind. Doch, doch, das ist mein Patenkind! Seid nett zu meinem Patenkind!
    So hatte Abel Kinga wieder getroffen.
    Der fuchsgesichtige Janda, der freundliche, untersetzte Andre mit der viereckigen Stirn und der hoch gewachsene, schweigsame Kontra spielten, Kinga tanzte, Abel saß den ganzen Abend in der Künstlergarderob e, id est: einem durchgesessenen Sofa mit den im Moment überflüssigen Kleidungsstücken der Musiker – auch hier wieder: der Geruch, die männliche Ausführung davon, Leder und Rasierwasser –, Kaiserloge, etwas abseits von den anderen.
    Wieso sitzt du im Musikerbereich? rief Konstantin (Wo kommst du plötzlich her?). Es gibt keine Sitzplätze mehr! Männer schnappen die Stühle Frauen weg! Kannst du dir das vorstellen? Ist hier noch Platz? Sei nicht immer so ein Arschloch, er drängte sich neben ihn, kannst du nicht mal rücken?
    Bedaure, sagte Abel. Von der anderen Seite drückte ihn eine Blechkanne. Das ist ein Instrument.
    Konstantin, an seiner Grünen Wiese trinkend, redend. Über diese Art von Musik: das Heulen der Wölfe in der durch das Rad des Jazz gedrehten Folklore, das übliche Zeug. Bis Kinga vom Tanzen wiederkam:
    Platz für die Königin was ist das denn aufstehen Kumpel na wird’s bald!
    Konstantin starrte den kraushaarigen Drachen an – Wer war das? Meine Patin. Deine was ? –, blinzelte, trank wortlos und mittel schnell die Grüne Wiese aus und ging sich eine neue holen . An der Theke gelang es ihm, ein Gespräch mit einer Frau anzufangen, er kam nicht wieder. Kinga warf sich auf den nun leeren Platz, landete auf Abels Hand. Ihr Hintern war hart, die Hand knackte. Ein Kribbeln, bis in die Ellenbeuge hoch. Sie drehte sich zu ihm, legte ein Knie auf seinen Oberschenkel, auch das war hart, jetzt kribbelte auch der Oberschenkel.
    Und? schrie sie. Immer noch Jungfrau? Ich auch. Einunddreißigster August. Sie lachte, wischte sich Feuchtes aus der Kuhle über der Oberlippe.
    Alles ist laut an ihr. Wenn sie spricht, und auch, was bei anderen kaum zu hören wäre: das Öffnen einer Bierdose, das Fallen einer Serviette. Bei ihr: laut.
    Abelard lächelte still.
    So, so. Ein vieldeutiges, nichts sagendes Lächeln. Was bist du nur für ein durch und durch verdorbenes Subjekt!
    Sie nahm seinen Kopf zwischen beide Hände, ihre Daumen zerrten an den Schläfen.
    Was bist du nur für ein trauriges, trauriges …
    Sie ohrfeigte ihn mit beiden Händen. Schrie:
    Warum bist du immer so traurig, hä?
    Ich bin nicht traurig.
    Was dann?
    Achselzucken.
    Weißt selber nicht, was?
    Pause, dann er, leise:
    Und du?
    Was, und

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