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Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Titel: Alle Toten fliegen hoch: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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er das zweite Antilopenkotelett abgenagt hatte, warf er den Knochen in Richtung des ersten. Wieder ging ein sprungbereiter Ruck durch die Hunde und ihre Ohren hoben sich. Coach Carter wollte alles über meinen Großvater wissen. Ob und wo er im Krieg gekämpft hätte. Plötzlich rief er, mitten in meine Antwort hinein, »GO !«, und die Hunde schossen davon. Ich hörte sie in der Dunkelheit schmatzend und knurrend die Knochen abnagen. Carter sagte: »I love discipline!« Wir aßen weiter. Mit bedeutungsvoller Stimme hob er an: »I need your advice.« »My advice?« »Yes, I’m thinking about taking a German exchangestudent for a year!« »Oh.« »What do you think about that?« »Äh … I think it’s a wonderful idea!« »Really?« »Yeah, sure. You should do that! You have a great house. The basketballcourt over there is fantastic!« Coach Carter rieb sich die vom Fleisch fettigen Hände: »Oh boy, I am so glad you say this!« »Yes, sure. Do it!« »You know, there is so much to do around here. I could go hunting with him and train him on my own basketballcourt!« »That sounds great, Coach!« »Travis!« »That sounds great, Travis!«
    Als Stan kam, hätte ich ihn am liebsten umarmt. So freundlich, vertraut und harmlos sah er aus, dieser kleine, ordentlich angezogene Mann. Auf der Heimfahrt sah ich aus dem Fenster, roch Stans Pomade und war heilfroh und dankbar für meine Gasteltern. Mit einem malenden Vietnamveteranen, der vom Balkon aus Bären schießt, Stinktiere an Zaunpfähle nagelt und einen unter Hundeaufsicht zu Tode drillt, ein Jahr lang in diesem Horrorhaus zusammenzuleben? Dagegen hatte ich es doch wirklich gut erwischt. Da waren Dons Gemeinheiten doch eine Lappalie!
    Noch drei Monate hatte ich bis zu meinem Rückflug nach Deutschland. Diese zwölf Wochen waren angefüllt mit den unterschiedlichsten Unternehmungen und Ereignissen: Ich hatte die große Ehre, zusammen mit Amy Height, einer der heiß umworbenen Schulschönheiten, zum Senior Prom zu gehen. Ein Frack, ein »tuxedo«, wurde geliehen. Ich sah mit meinen breiten Schultern aus wie ein Türsteher. Mit Brian und seiner Chirurgin besuchte ich ein Rodeoturnier. Wir fuhren mit seinem Jeep querfeldein zum Rodeoplatz. Benutzten keine einzige Straße. Das Turnier hatte drei Disziplinen. Bullenreiten: Die waren wirklich wild und gefährlich und krachten ihre Hörner in die Holzbanden. Rodeoreiten: Voller Entrüstung sah ich, dass die Pferde nur deshalb so wild waren, weil sie einen mit Dornen besetzten Riemen um den Bauch geschnallt bekamen. Sobald der Riemen heruntergerissen wurde, standen sie still und schnauften erleichtert und ließen sich abführen. Zuletzt eine Geschicklichkeitsprüfung mit dem Lasso: In dieser Disziplin mussten die Cowboys so schnell wie möglich ein Rind mit dem Lasso einfangen, umwerfen und mit dem Lassoseil alle vier Rinderläufe zusammenbinden. Die Lassowerfer waren natürlich immer andere, aber das Rind, das es zu fangen und zu fesseln galt, war immer dasselbe. Bereits nach dem fünften Reiter, der mit über dem Kopf kreisenden Lasso auf es zugaloppierte, hatte es jegliche Fluchtversuche eingestellt. Es stand einfach da, ließ sich das Lasso um den Hals werfen, umstoßen und fesseln. Bei den letzten Teilnehmern war diese harmlose Kuh so geschafft, dass sie von alleine umkippte und ihre Hufe dem Cowboy freiwillig zum Binden entgegenstreckte. Die Leute skandierten von den Rängen: »We want a fresh cow!« Für den letzten Cowboy mussten Helfer die Kuh aufstellen, ihr mit den Cowboystiefeln die Beine auseinanderdrücken, damit sie nicht sofort wieder niedersank, und da sie den Kopf hängen ließ, war es fast unmöglich, das Lasso zu werfen. Die Siegprämie von zehntausend Dollar gewann ein texanischer Teilnehmer. Er warf seinen Cowboyhut in die Menge und um ein Haar hätte ich ihn gefangen.
    Maureen wollte mit mir ins Autokino. Ich überlegte, wie ich an Erdbeerschnaps kommen könnte, und schließlich fiel mir Coach Kaltenbach ein, von dem ich schon monatelang nichts mehr gehört hatte. Einmal hatte ich ihn weit hinten bei einem Basketballspiel unter den Zuschauern gesehen. Ich rief ihn an und sagte ihm, dass ich ihn gerne besuchen würde. Er hatte ein eigenes Fitnessstudio eröffnet, zusammen mit seinem Bruder. Er gab mir am Telefon die Adresse. Maureen fuhr mich hin und wartete draußen im Auto auf mich. Außer Kaltenbach, der in einem winzigen Slip, von oben bis unten eingeölt, vor einem Spiegel Hanteln stemmte, und

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