Alle Toten fliegen hoch: Amerika
tell me why. I have to go to Chicago. I am an exchange student from Germany on my way to Laramie.« Der eine Uniformierte grinste den anderen an und nuschelte verächtlich: »Hey, Laramie, great!« Ich stand in Unterhose da und zögerte. »All your clothes please!« Auch meine Unterhose verschwand in einem Sack. Sie war zartrosa und wieder grinsten die Uniformierten. Zu dritt verließen sie den Raum, der Schlüssel drehte sich, und ich stand da, nackt. Ich schämte mich, legte mir schützend die Hände zwischen die Beine und sah mich um. Wurde ich beobachtet? Ich hatte es doch zigmal in Filmen gesehen. Spiegel – one way windows – oder eine winzige schwenkbare Kamera in einer Zimmerdeckenecke. Was hab ich denn gemacht?, dachte ich und überlegte krampfhaft das englische Wort für Irrtum.
Nach ungefähr zehn Minuten kam einer der Männer, die ich am Aschenbecher hatte stehen sehen, und brachte eine weiße Unterhose und ein T-Shirt mit. Sowohl in der Unterhose als auch im T-Shirt stand: Property of the Kennedy Airport. Es konnte nur eine Verwechslung sein. Er gab mir die Kleidungsstücke, ging zur Wand, legte die flache Hand darauf und drückte. Eine Tür sprang auf. »Follow me!« Ich betrat einen Waschraum mit mehreren Duschen. »Take a shower and use this. Also wash your hair!« Er gab mir ein kleines Fläschchen. Ich stellte mich unter die Dusche und zog den verschmutzten Plastikvorhang zu. Sofort wurde er wieder zurückgezogen: »Sorry, Sir, but I have to watch you!« Ich drehte den Wasserhahn auf. Anstelle eines gleichmäßigen Regens fing die Dusche an zu prusten und zu röcheln und stoßweise kochendes Wasser auszustoßen. Ich drehte den Kaltwasserhahn auf. Nichts. Ich seifte mich mit der geheimnisvollen Waschemulsion ein und die Dusche spuckte wie ein feuerspeiender Drache kochendes Wasser auf mich. »Please, also wash your hair!« »It’s too hot!« »Do it!« Mein Bewacher hatte sich eine Zigarette angesteckt, aschte ins Pissoir, spielte am Lederriemchen seines Pistolenholsters und malte mit dem Finger Notenschlüssel auf den beschlagenen Spiegel. Meine Haut brannte. Es war völlig unmöglich, sich in diesem Dampfstrahl den Schaum aus den Haaren zu waschen. »It doesn’t work!«, rief ich. »Do it in the sink.« Ich hatte keine Ahnung, was er meinte. »Sink?« Er zeigte aufs Waschbecken. Ich stieg aus der Dusche und hielt, ja, quetschte meinen Kopf unter den niedrigen Wasserhahn, der auch nicht richtig funktionierte. Ein feiner eiskalter Strahl ließ meine Kopfhaut zusammenschnurren. Ich bekam den Seifenschaum in die Augen und es brannte fürchterlich. Dann war ich endlich fertig. Ich bekam ein Handtuch und trocknete mich ab. Mit tiefgefrorenem Kopf, knallroten Augen und Haut in der Farbe eines gekochten Hummers zog ich mir die Unterhose und das T-Shirt an und wurde zurückgebracht. Nach dem Schließen schien die Waschraumtür wieder in der Wand zu verschwinden. Ich wurde allein gelassen und erneut eingesperrt. Ich setzte mich in eine Ecke auf den Boden und überlegte. Was ist der Grund für diesen Wahnsinn? Die wildesten Lösungen kamen mir in den Sinn. Vielleicht war Randy Hart aus dem Gefängnis ausgebrochen oder hatte jemanden ermordet und mich, da ich ihm nicht meine Adresse gegeben hatte, bei der Polizei als Drahtzieher oder Auftraggeber genannt. Oder vielleicht hatte mir jemand Drogen in meine Tasche geschmuggelt. Hatte es mit meiner gekränkten Freundin zu tun? Mit der rosafarbenen Unterhose? Mit dem Tod meines Bruders? Wieder kam jemand herein und forderte mich auf, ihm zu folgen. Dieses andauernde »Follow me!« zerrte an meinen Nerven. Diesmal wurde ich in einen großen Raum gebracht, in dem mehrere Tische und Stühle standen und drei Männer saßen. Zwei davon so wie ich nur in Unterhose und T-Shirt, ein dritter in Jeans, mit freiem Oberkörper und Hängebrüsten. Der Anblick dieser drei Männer ließ mich tief einatmen. »Please!«, wandte ich mich an den Beamten, der gerade die Tür schließen wollte, »I really have to go. What’s going on? Please, don’t leave me alone with these … This must be …«, das hatte ich mir auf dem Weg überlegt, »a misunderstanding!« Er sagte nur »Sorry, Sir!«, drückte mich in den Raum hinein und knallte die Tür zu.
Zwei der drei Männer sahen mich an. Ein Glatzköpfiger mit einem zugeschwollenen Auge. So ein Veilchen hatte ich noch nie gesehen. Der andere war ein Inder, der sich monoton gegen die Rückenlehne seines Stuhles warf. Der dritte Mann
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