Alle Toten fliegen hoch: Amerika
letzten entscheidenden Test kam ich, da ich nervös war, wieder nur auf drei von zehn Treffern, hatte aber im Spiel zwei Körbe gemacht. Wieder stellte er sich auf die unterste Tribünenbank und verlas die Namen derer, die es endgültig geschafft hatten. »The members of the Laramie Plainsmen Varsity Team are: Lance Hogan, Tim Rainwater, Jason Powell, Justin Cunningham, Dennis Burnett, Benny Wiseman, Blake Wiseman, Jerry Sanderson«, er sah vom Blatt auf, zu mir herüber, und rief meinen Namen in die große Halle, rief meinen Namen mit ck, nicht mit ch. Laut und deutlich. Während die letzten Spieler verkündet wurden, versuchte ich, meine Tränen zu verbergen, rannte, als würde ich mich lockern, ein wenig von der Gruppe weg zu den großen Fenstern. Fang bloß nicht an zu weinen, befahl ich mir. Umsonst. Los, jetzt hör schon auf! Aber es ging nicht. Da legte sich warm, pfannkuchengroß Coach Carters Pranke auf meine Schulter: »I am very proud to welcome you in my team. You have quite a way to go but you did a great job!« Ich nickte und durch die Tränen in meinen Augenwinkeln funkelten die Deckenleuchten wie Sterne. Die, die es nicht geschafft hatten, saßen mit dem Handtuch über dem Kopf auf dem Hallenboden oder trotteten kopfschüttelnd über das Spielfeld.
Als ich am Abend Stan und Hazel von meinem Erfolg berichtete, stand Stan auf und umarmte mich. »Oh boy! Wow! That’s great«, und Hazel bekreuzigte sich, sagte »O Lord!«, nahm mein Gesicht in beide Hände und gab mir einen Kuss. »What a wonderful message!« Don kam aus seinem Zimmer geschlendert und fragte: »What’s going on? Everybody looks so happy!« »He made the Basketballteam!«, sagte Stan voller Stolz. Don ging an mir vorbei in die Küche: »I know the reason for that: Coach Carter loves Germany. That’s all.« Hazel rief in die Küche: »Come on, don’t be so mean!«
Als ich im Bett lag, war ich unsicher, ob Don nicht vielleicht sogar recht hatte. Waren nicht viele von denen, die ausgeschieden waren, viel besser als ich? Ich sah auf den Wecker mit meiner Heimatzeit – sechs Uhr morgens – und dachte an meine Freundin. War sie überhaupt noch meine Freundin? Jetzt schlief sie noch. Ich musste ihr endlich einen Brief schreiben. Und Sonntag anrufen. Ich streckte die Hand aus dem Bett und drehte den Temperaturregler ein wenig höher. Mir war kalt. Für die Nacht, so hatte Stan gesagt, war ein Blizzard angekündigt worden. Ich schlief ein.
Um halb sechs weckte mich Stan. »I need your help!« Mit seinen buschigen Ohrenschützern sah er aus, als würde er zu einer Polarexpedition aufbrechen. Er sagte mir, dass ich mich so warm anziehen solle wie möglich. Verschlafen kroch ich aus dem gewärmten Bett und suchte meine Sachen zusammen. Den Pullover meines Bruders und noch einen dicken Norwegerpullover aus dem Schrank. Im Flur stand Don, mürrisch, dick eingepackt, mit Handschuhen und Mütze. Mit drei Schneeschaufeln bewaffnet traten wir ins Freie. Traten hinaus und direkt in den Blizzard hinein. Die Auffahrt war von Schneemassen wie nach einer Lawine verschüttet. Der Wind jaulte und peitschte mir die scharfkantigen Flocken ins Gesicht, winzige von der Kälte geschliffene Eisdornen. Stan rief Anweisungen in den tosenden Sturm. Kaum hatte man eine Stelle frei geschaufelt, war sie auch schon wieder zugeweht. Don war überraschend zäh und schaufelte, selbst als ich mich schon schwächelnd auf den Briefkasten stützte, mit kräftigen Schwüngen Schneisen in den Schnee. Mein Gesicht fror ein und in meinen Augenbrauen hingen Eisstückchen wie bei einem Extrembergsteiger. Meine Füße und Hände waren taub und gleichzeitig rann mir der Schweiß über den Rücken. Mehrmals schaufelte mir Don mit voller Absicht eine Ladung Schnee ins Gesicht. Durchgefroren zogen wir uns ins Haus zurück, traten die Schuhe gegeneinander, schüttelten die Jacken aus und ließen uns im Wohnzimmer in die Sessel fallen. Hazel hatte Kaffee gemacht. Stan sagte: »Guess we have to get out there again!« Der Pudel winselte. Es klang, als ob der Sturm die Bretter von den Außenwänden abreißen würde, nach dem Herausbiegen langer Nägel aus Holzbalken. Das ganze Haus klapperte und knarzte. Dons arrogante Blässe war verschwunden. Er sah frisch und gesund aus. Hielt den Kaffeebecher in beiden Händen und trank in kleinen Schlucken. Und so begann mit der Basketballsaison auch die Schneeschaufelsaison.
Zu Weihnachten kamen Stans Schwestern und erfüllten das Haus mit ihrer
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