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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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Probe schicken?«
    »Ich bin voll besetzt, danke. Wenn Sie jetzt mit der Arbeit beginnen wollen – ich habe um 17.50 Uhr noch eine Verabredung.«
    »Fünfzig, einundfünfzig, zweiundfünfzig. Zweiundfünfzig! Was für eine Ausdauer!« rief der RSV-Captain Warren Pavment seinem Gehilfen zu.
    »Jetzt ist er fertig«, sagte der Gehilfe, ein Modell AEI 71, genannt Toggle. »Entdecken Sie einen Ausdruck der Besorgnis in seinem Gesicht, Captain?«
    In einem Hubschrauber über dem Zentrum schwebend, starrten Mensch und Roman auf den winzigen Bildschirm neben ihren Knien. Auf dem Schirm, von ihrem Spionsender ganz deutlich eingefangen, sank ein winziger Freddie Freud in einem Sessel zusammen, ruhte sich auf seinen Lorbeeren aus und gab einem winzigen Bucket die Peitsche, damit er sie in den Schrank zurücklegte.
    »Du kannst jetzt mit dem Gekreisch aufhören«, tönte seine winzige Stimme kalt durch die Kanzel.
    »Ich glaube nicht, daß er zufrieden aussieht«, sagte der RSV-Captain. »Ich finde, er sieht unglücklich aus – schuldbewußt, sogar.«
    »Schuldbewußt ist schlecht«, sagte Toggle, als sein Vorgesetzter eine höhere Vergrößerung wählte. Freuds Gesicht dehnte sich aus, löschte seinen Körper, füllte den ganzen Bildschirm. Auf Backen und Stirn stand Schweiß, jeder Tropfen im Bild von einer Aura umgeben.
    »Ich wette, das hat mir mehr wehgetan als dir«, keuchte er. »Ihr schmiedeeisernen Tröpfe, ihr leidet nie genug.«
    Im Hubschrauber sahen Roman und Mensch einander besorgt an.
    »Hast du das gehört? Er hat Probleme. Wir landen und holen ihn«, sagte der Captain des Roboterschutzvereins.
    Er ließ seinen Hubschrauber durch eine Säule warmer Luft hinabschweben.
     
     
    Heiße Luft stieg von Mr. Gavotte auf. Er fuhr mit einem Finger zwischen Kragen und Hals entlang und sagte: »Ich glaube selbst fest an die Kultur, Mr. Birdlip. Nicht, daß ich viel Zeit zum Lesen hätte – «
    Ein Klopfen an der Tür, und Hippo kam herein. Birdlip ging erleichtert auf ihn zu.
    »Also, was ist mit der Klimaanlage?«
    »Die Heizkreise sind eingeschaltet, Sir. Sie sind fälschlich in Betrieb, drei Monate zu früh.«
    »Hast du mit ihnen gesprochen?«
    »Ich habe mit ihnen gesprochen, Sir, aber ihre Hörkreise sind defekt.«
    »Im Ernst, Hippo! Warum tut niemand etwas?«
    »Cogswell ist unten, Sir. Aber wie Sie wissen, ist er ein ziemlich unzuverlässiges Modell, und die Hitze im Kontrollraum hat ihn abgeschaltet.«
    »Ach, die Leiden, die des Stahles Erbteil«, meinte Birdlip nachdenklich. »Gut, Hippo, du bleibst hier und läßt dir von Mr. Gavotte und seinem Gehilfen die Heimkehr-Einrichtung einbauen, bevor sie sich mit dem Rest des Personals befassen. Ich gehe inzwischen zu Mr. Freud. Von der Heizung versteht er etwas; vielleicht kann er etwas tun. So, wie es steht, werden wir langsam gesotten.«
    Gavotte und Schnellfuß gingen auf Hippo zu.
    »Mach den Mund auf, Alter«, befahl Gavotte. Als Hippo gehorchte, ergriff Gavotte sein Unterkiefer und drückte es kräftig herunter, bis es sich mit einem Klicken samt Hippos Kehle ablöste. Schnellfuß legte Kiefer und Kehle auf den Schreibtisch, während Gavotte Hippos Staubfilter und Luftkühler abschraubte und seine Luftröhre entfernte. Als er den Brustdeckel abhob, sagte er heiter: »Zum Glück nur eine kleine Operation. Gib mir den Bohrer, Schnellfuß.« Er sah Hippo an und bohrte mit beachtlicher wissenschaftlicher Distanz in der Nase.
    Birdlip, der nicht mehr zu sehen wünschte, verließ sein Büro und ging zum Zimmer seines Teilhabers.
    Als er durch den Flur eilte, wurde er von einem Fremden aufgehalten. In dieser Zeit des Individualismus waren Uniformen ein Ding der Vergangenheit; doch unverwechselbar trug der Fremde etwas Uniformähnliches: einen Hut, einer kühnen Kopfbedeckung des achtzehnten Jahrhunderts nachempfunden, mit großer Plastikfeder; einen Uniformrock im Stil des neunzehnten oder zwanzigsten Jahrhunderts mit seiner Vielzahl von Taschen verlieh dem Träger das Aussehen einer wandelnden Kommode; Rockhosen aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert mit Hüllfransen; und Stiefel, die mit einer zeitgenössischen Buntkarofarbe lackiert waren.
    Birdlip verbarg seine Überraschung mit einer Höflichkeitsparade und sagte: »Warm heute, nicht?«
    »Vielleicht können Sie mir helfen. Mein Name ist Captain Pavment, Captain Warren Pavment. Der Türboter hat mich heraufgeschickt, aber ich habe mich verirrt.« Der Captain zog eine glänzende Metallmarke heraus.

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