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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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als er Mensch wurde. Die Geschichte der Zivilisation ist die Geschichte der Suche nach einer Gesetzmäßigkeit.«
    »Nach Gott?« fragte Freud.
    »Ja, aber nicht nur das. Die Religion, jede Kunstform, die meisten Handlungen der Menschen, abgesehen von Essen, Arbeiten, Fortpflanzen, Ausruhen – alles außer diesen Tätigkeiten, das wir noch mit der Tierwelt gemeinsam haben – hält Soundso für die Suche nach der Gesetzmäßigkeit. Wahrscheinlich läßt sich sogar Ihre Tracht Prügel für Bucket so auslegen, wenn man es sich genau überlegt.«
    »Lassen wir das Persönliche beiseite. Mich interessiert das. Weiter.«
    Birdlip biß sich auf die Unterlippe. Wie hieß der Verfasser? Er hatte ihn auf der Zunge.
    »Den Rest erzähle ich Ihnen später«, sagte er. »Er ist noch verblüffender… Wenn Sie mich jetzt in Ruhe lassen, glaube ich, daß mir der Name wieder einfällt.«
    »Wie Sie wollen.« Fred stakte hinaus und murmelte vor sich hin: »Er kann nichts dafür, wenn er so unhöflich ist; er wird alt und exzentrisch…«
    Einer der Roman-Drucker, ein plumpes, vierarmiges Cunard-Modell, kam auf ihn zu. Eine Stimme zwischen ihnen erhob sich von einem Flüstern: »… nektierung des Suezzeus-Kanals auf dem Mars 2126 ist eine der…«
    In einem Wutanfall packte Freud den Band in seinem Ferntonumschlag und schleuderte ihn über das Geländer. Er landete unten fast vor Belitres Füßen, so daß er triumphierend brüllen konnte: »… farbigsten Geschichten in den Annalen des roten Planeten…«
    Freud flüchtete in sein Büro und warf die Tür hinter sich zu.
    Bucket stand an seinem Schreibtisch. Freud sah den Roman an, dann schob sich seine Zunge zwischen die Zähne, und sein Blick glitt zum Schrank. Sein Ausdruck wechselte von Zorn zu Lust.
    »Toolust! Natürlich, Isaac Toolust! Das war der Name. Wer sagt, mein Gedächtnis läßt nach? Hippo, schau im Adreßbuch von London nach. Ich brauche Isaac Toolusts Anschrift. Und bete, daß er eine Kopie seines Manuskripts hat.«
    Er sah auf. Hippo hatte sich nicht gerührt.
    »Also dann, los, marsch, Hippo, sei brav.«
    Der Roman machte eine unentschiedene Geste.
    »Hippo, ich lasse dich umpolen, wenn du mir jetzt nachläßt. Such Toolusts Adresse.«
    Hippos Kopf begann zu wackeln. Er machte eine seltsame Rückwärtsbewegung zum Schreibtisch und sagte: »Mr. Birdlip, Sir, den Namen werden Sie im Adreßbuch nicht finden. Toolust lebt in Blechheim – in Paddington, meine ich, Sir.«
    Birdlip stellte sich so, daß sein Fleischgesicht nur wenige Zentimeter von dem metallenen entfernt war. Hippo wich zurück, wie alle Roboter vom Geräusch menschlichen Atmens überwältigt.
    »Was weißt du von Toolust?«
    »Ich weiß viel, Sir. Sehen Sie, ich habe das Manuskript direkt von Toolust auf Ihren Schreibtisch gebracht. Am ersten Abend, als ich nach Blech- nach Paddington durfte. Ich traf Toolust. Er brauchte einen Verleger, und gab mir deshalb sein Werk, damit ich es Ihnen geben konnte.«
    »Warum hast du mir das nicht gleich sagen können?«
    Der Roman vibrierte sanft.
    »Sir, Toolust wollte seine Identität geheimhalten, bis sein Buch publiziert war. Toolust ist ein Roman.«
    Nun vibrierte Birdlip. Er sank in seinen Sessel und bedeckte mit einer Hand die Augen, während er mit der anderen auf den Tisch trommelte. Hippo betrachtete diese Erscheinungen mit der metallischen Entsprechung von Erschrecken und begann zu sprechen.
    »Bitte, kein Herz-Motorversagen, Sir. Sie wissen, daß Sie nicht umgepolt werden können wie ich. Warum überrascht es Sie, daß das Manuskript nicht von einem Menschen, sondern von einem Roman geschrieben worden ist? Roboter schreiben und übersetzen schon seit fast zwei Jahrhunderten Bücher.«
    Birdlip beschattete immer noch die Augen und sagte: »Du kannst mir die Bedeutung dieses Vorgangs nicht verheimlichen, Hippo. Jetzt, wo du es mir sagst, erkenne ich: der Gedanke hinter dem ganzen Buch ist von einer Art, daß nur ein Roman es geschrieben haben kann. Die Romen haben bisher aber nur auf nichtkreativem Gebiet schreiben dürfen – Enzyklopädien zusammenstellen, etwa. ›Überflüssige Handlungen der Menschen‹ dagegen ist ein echter Beitrag zum menschlichen Ideengut.«
    »Zum menschlich-romenschlichen Ideengut«, verbesserte Hippo, und seine Stimme hatte, was nicht unnatürlich war, einen stählernen Unterton.
    »Ich sehe auch, daß das nur in einer Gegend wie Paddington hat geschrieben werden können, fern von menschlicher Aufsicht.«
    »Das ist richtig,

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