Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
Vom Netzwerk:
sagte er nicht, bis wir den Lift betraten. Dann fügte er in seiner ruhigen Art hinzu: »Wir können uns alle irren, Jerry. Wir wissen jetzt, daß die neuerforschten Ypsilon-Bereiche des Gehirns keinen Unterschied zwischen wacher Wirklichkeit und Traum machen. Sie befassen sich nur mit der Veränderung von Zeitskalen und bilden das Tor zum Unbewußten. Meine persönliche Theorie ist die, daß der westliche Mensch mit seiner Gier nach Fortschritt möglicherweise dieses Tor zugeworfen und die Berührung mit etwas verloren hat, das für sein psychisches Wohlergehen grundlegend wichtig ist.«
    »Soll heißen, die Schwarzen stehen noch in Verbindung damit?«
    »Tun Sie nicht so verächtlich! Die Geschichte des Westens ist nichts, worauf man stolz sein könnte. Sie wissen, daß unser Unternehmen in Schwierigkeiten ist und vielleicht beendet wird. Gewiß, auf der materiellen Ebene machen wir erstaunliche Fortschritte, wir haben Stationen, die die Sonne umkreisen, die inneren Planeten und den Jupiter – und trotzdem sind wir uneins mit uns selbst. KUFL soll für die Psyche sein, was der Computer für das Wissen ist, und trotzdem werden unsere Daten ständig zurückgewiesen. Der Fehler liegt nicht an der Maschine. Ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse.«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Gehen wir.«
    Wir erreichten die Oberfläche, stiegen hinaus und gingen zur Untergrundbahn, wo ein Wagen nach Plato warten würde. Das große alte schwarze Ding würde an der Krater-Endstation auf uns warten, und unter Johnnie Waces Aufsicht würden ich und die anderen angeschlossen werden. Manchmal kam ich mir in der ganzen wesenlosen Welt, die Wace so entsprach, verloren vor, in dem ganzen schlauen Gerede darüber, was Traum, was Wirklichkeit sei – obwohl ich es in Notwehr manchmal selbst verwendete.
    Als wir zur U-Bahn gingen, verzerrte die Kuppelwölbung die Kakteen dahinter. So zerbrechlich sie auch waren, es wuchsen lange Feigenkaktusarme, die sich reckten und um die Kuppel zu winden schienen, bevor sie von den Fluten widergespiegelter Elektrolumineszenz weggewaschen wurden. Bis das Problem gelöst war, die Grelligkeit bei Nacht zu dämpfen, würde sich die Gereiztheit in der Hauptkuppel nicht legen.
    In der noch nicht fertigen U-Bahn gingen Wace und ich an der Parade von Brandbekämpfungsausrüstung und Raumanzügen für den Notfall vorbei und bestiegen den Zug. Die anderen Mitglieder des Teams saßen schon auf ihren Plätzen und unterhielten sich eifrig über die mehrdeutigen Gemütszustände, die KUFL hervorrief; sie begrüßten Johnnie erfreut, und er beteiligte sich am Gespräch. Ich sehnte mich nach meiner Familie – so weit es eine solche gab – oder hätte auch gern mit Ted Greaves, dem einfachen alten Soldaten Ted Greaves, Schach gespielt. Vielleicht hätte ich selbst ein einfacher, alter Soldat bleiben sollen, um mitzuhelfen, Unruhen in den überfüllten Straßen der Ostküste zu unterdrücken oder schnell einmal nach Brasilien vorzustoßen.
    »Ich wollte Sie nicht ärgern, Jerry«, sagte Wace, als sich die Türen schlossen. Sein kleines Gesicht verknitterte sich besorgt.
    »Schon gut. Ich bin ja gleich aufgegangen. Das Leben ist heutzutage einfach zu kompliziert.«
    »Und das von Ihnen, dem Apostel des Fortschritts!«
    »Das Reden hat keinen Sinn… Hören Sie, wir haben Leben auf dem Jupiter entdeckt. Wunderbar. Ich freue mich, ich freue mich wirklich für Ezard dort draußen, freue mich für alle. Aber was machen wir damit? Wohin führt uns das? Wir haben noch nicht einmal das Problem des Lebens auf der Erde gelöst!«
    »Das kommt noch«, sagte er.
    Wir rollten in den dunklen Tunnel hinein.
     
     
    III. Ri. Eine der vielen Komplikationen auf der Erde waren die Träume meiner Tochter. Sie beschäftigten mich sehr, so sehr, daß, wie ich glaube, sie sich oft mit meinen Phantasievorstellungen vermischten, wenn ich unter den Enzephalometern und den anderen KUFL-Geräten auf Waces Couch lag. Aber sie machten mir ebenso viele Sorgen, wie sie mich entzückten. Das Kind ist so hartnäckig freundlich, daß ich nicht immer Zeit für sie habe, aber ihre Träume sind etwas anderes.
    In der Art, wie Ri sie erzählte, hatten die Träume eine sonderbare Deutlichkeit. Vielleicht waren es Szenen aus einer Welt, in der ich sein wollte, einer Spielzeugwelt – einer vereinfachten Welt, in der es kaum andere Menschen zu geben schien.
    Ri war die Frucht meiner Drittjahrzehnt-Ehe. Meine Viertjahrzehnt-Frau Natalie hörte Ris Geplauder auch gern,

Weitere Kostenlose Bücher