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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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verstehen konnte: »Ich habe mich nicht beklagt, Jerry, ich habe nicht gewagt, mich zu beklagen…«
    Ich marschierte hinein. Sie stand am Ausguß, mehr oder weniger so, wie ich sie mir vorgestellt hatte, die schwarzen Haarflechten von einem Gummiband am Nacken festgehalten. Ich liebte sie, aber sie konnte mich wahnsinnig aufbringen!
    »Was soll das heißen – ›nicht gewagt, dich zu beklagen‹?«
    »Bitte, streit nicht mit mir, Jerry. Ich vertrage nicht mehr viel.«
    »Habe ich gestritten? Ich dachte, ich hätte dich nur gefragt, was du mit deinen Worten gemeint hast!«
    »Bitte, reg dich nicht auf!« Sie kam zu mir, legte die Arme um mich und sah zu mir auf. Ich machte mich steif und erwiderte ihren Blick nicht. »Ich meine es nicht böse, Jerry. Es ist furchtbar, daß wir streiten wie alle Leute – ich weiß, daß du durcheinander bist!«
    »Natürlich bin ich durcheinander! Wer nicht, wenn er sich die Welt so ansieht? Dein großartiger Bruder und seine Kumpel haben Leben auf dem Jupiter entdeckt! Wirkt sich das auf uns aus? Mein Projekt, KUFL, es wird zumachen müssen, wenn wir keine Ergebnisse erzielen. Dann die ganze Unruhe in den Universitäten – ich weiß nicht, was sich die junge Generation dabei denkt! Wenn wir nicht stark sind, rücken die von der Dritten Welt an und übernehmen die Herrschaft – «
    Sie begann sich nun auch zu ärgern.
    »O ja, das ist der eigentliche Grund, warum wir hier am Ende der Welt wohnen, nicht? Nur, damit du ab und zu auf den Gegner losgehen kannst. Wo ich gerne gelebt hätte, war ja gleichgültig.«
    »Im Gegensatz zu anderen Leuten ist es mir wichtig, daß ich meine Pflicht für mein Land erfülle!«
    Sie löste sich von mir.
    »Es gehört aber nicht zu deiner Pflicht, unablässig zu mir und Ri gemein zu sein, oder? Oder sind wir dir völlig gleichgültig?«
    Es war das alte Lied.
    »Fang nur damit nicht wieder an! Wenn mir alles gleichgültig wäre, hätte ich dir dann den Roboter gekauft, der nutzlos nebenan steht? Du nimmst ihn nie, du läßt lieber eine dicke, alte Frau kommen! Ich hätte mir das Geld sparen können! Und du hast den Nerv, von Gleichgültigkeit zu reden!«
    Ihre Augen funkelten. Sie sah grandios aus.
    »Dir ist alles egal! Dir ist alles egal! Du tust deiner armen kleinen Tochter weh, du vernachlässigst mich! Du bist dauernd auf dem Mond, oder an der Grenze, oder du tyrannisierst uns. Selbst dein vertrottelter Freund Ted Greaves hat mehr Verstand als du! Du haßt uns! Du haßt alle!«
    Ich lief auf sie zu, packte ihren Arm und schüttelte sie.
    »Du machst dauernd Krach. Nicht mehr lange, bis das Jahrzehnt vorbei ist, dann bin ich dich los! Ich kann es kaum erwarten!«
    Ich stapfte durch das Haus und warf die Tür hinter mir zu. Nur gut, daß ich am nächsten Tag Grenzdienst hatte! Die Leute auf der Straße grüßten mich, aber ich beachtete sie nicht. Die Sonne stand schon hoch am süditalienischen Himmel; ich schwitzte beim Gehen und genoß die Unannehmlichkeit.
     
     
    Es stimmte nicht, daß ich sie tyrannisierte. Natalie mochte als Kind gelitten haben, aber ich auch! Damals war ein Krieg im Gang gewesen, der erste der Kriege Westcivs gegen die Dritte Welt, auch wenn wir das damals noch nicht begriffen hatten, vor dem Kap-Kom-Vertrag. Ich war zu einer Zeit eingezogen worden, als andere sich an den Universitäten aufspielten. Ich hatte Angst gehabt, gelitten, gehungert, war verwundet worden, hatte mich ein paar Tage im Urwald verirrt, bevor der Hubschrauber mich fand. Und ich hatte ein paar Drittweltler umgebracht. Selbst Natalie würde nicht behaupten wollen, daß mir das Spaß gemacht hatte. Es war schon lange vorbei, aber ich trug es immer noch mit mir herum. In meinem Inneren wurde es nie schwächer. Die Erde drehte sich; die Lichter auf dieser alten Bühne erloschen nie.
    Jetzt war ich in den Hügeln über unserem Ort. Ich setzte mich in den Schatten eines Olivenbaums und schaute zurück. Merkwürdig, wie man oft über Dinge nachdenkt, die nichts mit dem Alltagsleben zu tun haben.
    Es hatte keinen Zweck, sich über einen Ehestreit aufzuregen. Natalie war in Ordnung, nur ein bißchen jähzornig. Meine Uhr zeigte kurz nach zehn. Ted Greaves würde bald zu einer Partie Schach kommen. Ich wollte eine Weile sitzenbleiben, tief atmen und dann zurückschlendern. Es gab keinen Grund, sich zu fürchten.
     
     
    IV. Greaves. Ted Greaves kam zehn Minuten vor elf Uhr. Er war ein hochgewachsener, blonder Mann, während seiner ganzen militärischen

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