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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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aber Natalie ist eine geduldige Frau, mit Ri wie mit mir; vielleicht noch mehr mit Ri, da sie mir gern ihr Temperament beweist.
    Eine gewisse Eigenheit von Ris Träumen veranlaßte Natalie und mich, sie für uns zu behalten. Wir erwähnten sie unseren Freunden gegenüber nie, beinahe so, als seien sie kleine schuldbewußte Geheimnisse, in die wir uns teilten. Ich sprach auch nie meinen Freunden gegenüber im KUFL-Projekt davon, oder bei Wace oder den Gemüts-Zauberern im Mond-Psycholabor. Natalie und ich vermieden es sogar, unter uns darüber zu reden, zum Teil deshalb, weil wir spürten, wie sehr Ri ihre Nachtbilder verehrte.
    Dann wurde meine ganze Freude über die Träume des Kindes in Unruhe verkehrt, als Ted Greaves eine beiläufige Bemerkung fallen ließ.
    Das kam so.
     
     
    Ich war erst tags zuvor mit der Urlaubsfähre vom Mond zurückgekommen, erschöpfter denn je. Das Hin und Her zwischen dem Kennedy-Flughafen und Eastern und Europ-Zentro wurde immer überfüllter, trotz der zusätzlichen eingesetzten Jumbos; die Nachricht von der Entdeckung von Leben auf dem Jupiter – gar die Übertragungen des Gesichts meines Schwagers, das über jeder Westciv-Stadt flammte – schien den Ameisenhaufen gehörig durcheinandergebracht zu haben. Keiner konnte verstehen, was die Leute glaubten, hier tun zu können, aber die Wall Street registrierte eine Flutwelle von Optimismus.
    Ich kam also ziemlich erschöpft nach Hause. Ri schlief schon. Ja, sie näßte immer noch ins Bett, gab Natalie zu. Ich ging zuerst in die Sauna und schlief in den Armen meiner Frau ein. Die Welt drehte sich. Als ich wieder zu mir kam, war es Morgen, und ich wurde von Ri geweckt, die an unsere Betten kam.
    Kleine, dreijährige Mädchen haben einen schwerfälligen Gang; sie wiegen soviel wie Elefantenkinder. Ich kann lautlos durch unser Schlafzimmer gehen, aber bei dem Knirps entstehen Vibrationen.
    »Ich dachte, du bist noch auf dem Mond und fütterst das Klektive Umbuste, Papi«, sagte sie. Das ›Klektive Umbuste‹ ist ihre Verballhornung des Kollektiven Unbewußten; klugerweise unternimmt sie keinen Versuch, die Ergänzung ›frei lebend‹ von KUFL zu verarbeiten.
    »Das Umbuste hat mir eine Woche Urlaub gegeben, Ri. Und jetzt laß mich schlafen! Geh und lies dein Buch!« Ich beobachtete sie mit einem halb geschlossenen Auge. Sie legte den Kopf auf die Seite, lächelte mich an und kratzte sich am Gesäß.
    »Dann ist das große alte, schwarze Ding viel schlauer und netter, als ich dachte.«
    Natalie fing an zu lachen.
    »Na, das ist doch der ganze Sinn vom Klektiven Umbuste, Ri – netter und klüger zu sein, als sich einer das vorstellen kann.«
    »Ich kann mir sehr viel Nettigkeit vorstellen«, sagte sie. Sie wollte sich das Bild des Umbuste als großes schwarzes Ding nicht nehmen lassen.
    Sie stieg auf das Bett und warf sich zwischen mir und Natalie hinein. Sie hatte ein großes Plastik-Sprechbilderbuch mitgebracht. Als sie über mich hinwegrollte, schwang sie das Buch, und eine Ecke traf mich schmerzhaft im Gesicht. Ich brüllte.
    »Du ungeschicktes, kleines Ungeheuer! Runter von mir!«
    »Papi, das wollte ich doch nicht, wirklich nicht! Es war ein Unfall!«
    »Ist mir egal, was es war! Verschwinde! Los! Ab! Geh wieder in dein Bett!« Ich zerrte an ihrem Arm und zog sie über mich hinweg. Sie brach in Tränen aus.
    Natalie setzte sich zornig auf.
    »Himmel noch mal, laß das Kind in Ruhe! Du schreist sie immer an!«
    »Sei du still – dich hat sie nicht im Auge getroffen! Und ins Bett hat sie auch wieder gemacht, das schmutzige kleine Ding!«
    So fing der Streit an. Ich schäme mich, wenn ich berichten muß, wie es weiterging. Es gab Tränen vom Kind und Tränen von Natalie. Erst nach dem Frühstück beruhigte sich alles wieder. Oh, ich kann bei dieser Beichte jetzt ziemlich objektiv sein und meine Fehler erkennen, ebenso das, was andere Leute von mir dachten. Wenn das nicht Kunst ist, dann wenigstens Therapie!
    Es ist merkwürdig, sich jetzt daran zu erinnern, wie oft wir beim Frühstück Streit hatten… Dabei war das einer der ruhigsten Räume, mit dem dunkelroten Teppich auf den Fliesen, den weißen Wänden und den italienischen Möbeln. Wir hatten an den Wänden altmodische, unbewegte, zweidimensionale Ölgemälde, und keinen Holo-Bildschirm. In einer Ecke, halb verborgen hinter eine Blumenvase aus dem Hof, stand Jannick, unser Roboter-Hausmädchen, aber Natalie, die sie lieber nicht gebrauchte, ließ sie abgeschaltet. Jannick war

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