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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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diesen Schrecknissen gegenüber immun. Ich fühlte mich nie wohl, nicht einmal auf dem Flug Rainbow-Kennedy.
    Zwischen den Planeten werden unsere ausgefallensten Wünsche fruchtbar. Die Raumfahrt nährt unsere tiefsten und bizarrsten Wünsche. »Schreckliche Dinge können geschehen!« hatte Natalie am Anfang unseres Zusammenseins gerufen und sich in meine Arme geworfen. Und während ich fort war, erließ Westciv ihre Integrationsgrenze, trennte Eltern von ihren Kindern, verlieh Zehnjährigen die ehrenhafte Waisenschaft des Staates, damit sie als Bürger ausgebildet wurden.
    Das alles fand noch einmal vor dem Hintergrund unseres sonnigen Innenhofes statt, wo Natalie Warton jetzt stand. Sie war dünner und hatte ein schärferes Gesicht als früher, ihr Haar war nicht mehr so schwarz. Eines Tages würden wir die Offensive ergreifen und sämtliche Schwarze in der Schwarz-Weiß-Welt ausrotten müssen. Für mich hatte nur die Angst davor, was das neutrale China tun mochte, verhindert, daß wir einen derart notwendigen Schritt schon getan hatten.
    »Sie sehen, wie alt das da draußen ist!« sagte Ted Greaves, der meinen Blick falsch auslegte, als er hinausdeutete. »Sehen Siesich die verdammte Ranke an, diese Statue! Abgesehen von der schönen kleinen Natalie und Ihrer Tochter gibt es da nichts, was nicht schon seit mindestens zweihundert Jahren an seinem Platz wäre. Drüben in den Staaten ist alles neu, neu, alles muß das Allerneueste sein. Sobald sich Wurzeln zu zeigen beginnen, reißen wir sie heraus und fangen von vorne an. Das Ergebnis – keine Prüfsteine! Wie lange steht dieses Haus? Drei Jahrhunderte? In den Staaten wäre es längst verschwunden. Hier erhält es liebevolle Pflege, und es ist so gut wie neu. So gut wie neu! Sehen Sie, wie ich zum Opfer meiner eigenen Klischees werde! Es ist besser als gottverdammt neu, es ist so gut wie alt!«
    »Sie sind sentimental, Ted. Nicht die Dinge, die anderen Menschen sind wichtig. Völker sind alt, Welten sind alt. Die russo-amerikanischen Schiffe, die jetzt durch das ganze System streifen, zeigen uns, wie alt wir eigentlich sind, wie vertraut mit uns selbst. Unsere Wurzeln finden wir in uns selbst.«
    Er brummte etwas und zündete sich eine Selbstzündzigarre an.
    »Das hört sich gut an von Ihnen, wo Sie das ›Frei-Lebende-Kollektive-Unbewußte‹ bauen. Ist das nicht auch nur wieder ein amerikanisches Projekt, um das Böse zu objektivieren und unsere Wurzeln zu stutzen?«
    »Keinesfalls! KUFL wird eine Emotionen-Bank sein, ein Computer, wenn Sie so wollen, der nicht die Früchte des menschlichen Intellekts, sondern die Früchte der Psyche speichert. Jetzt, da es zu viele Leute gibt und unser Leben reglementiert werden muß, wird KUFL uns die Freiheit unserer Phantasie wiedergeben.«
    »Wenn es wirkt!«
    »Sicher, wenn es wirkt«, sagte ich. »Bis jetzt holen wir aus unserem großen alten, schwarzen Ding nichts heraus als primitive archetypische Muster. Es ist eine Frage des fortgesetzten Fütterns.« Bei Greaves äußerte ich mich zuversichtlicher, als mir zumute war, vermutlich, um seinen Pessimismus auszugleichen.
    Er stand auf und starrte zum Fenster hinaus.
    »Na, ich bin nur ein besserer Soldat – und ohne viel Ruhm. Ich verstehe nichts von Emotionen-Bänken. Aber vielleicht haben Sie Ihrem großen schwarzen Ding zuviel Futter gegeben, und es stirbt an Überernährung, wie Westciv selbst. Bestimmte archetypische Träume – die jungen Menschen haben sie, warum also nicht Ihre neugeborene Maschine? Die Jungen haben sie vor allem dann, wenn sie jung sterben werden.«
    Der Tod war eines seiner großen Themen: ›Der Friede, der jeden Stand erfaßt‹, hatte er ihn einmal genannt.
    »Was führ Träume?« fragte ich ihn ohne Überlegung.
    »Das Nervensystem nimmt Traumbilder genau so auf wie Sinnesreize. Es gibt Träume als Vorboten, Träume, die den Tod anmelden. Wir wissen nicht, was Wachsein ist, nicht wahr, bis wir wissen, was Träume sind. Vielleicht ist der ganze Kampf Schwarz gegen Weiß ein Super-Traum, wie ein schwarzer Vogel, der an ein Fenster klopft.«
    Das Gespräch löst verborgene Gedanken aus. Ich hatte zugehört, aber noch aktiver hatte ich mir überlegt, auf welche Weise er Fragen nie ganz direkt beantwortete, wie die meisten Menschen. Jemand hat mir gesagt, das sei die Wirkung der Holovision, geteilte Aufmerksamkeit. All das dachte ich, als er mit den schwarzen, an Fenster klopfenden Vögeln daherkam, und das erinnerte mich an den Beginn von Ris

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