Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Kappe. »Der wird mir schon nicht den Kopf abreißen, der wird selbst ganz froh sein, wenn das fertig ist.«
Dann setzte sie Gladiolenzwiebeln, bis die Sonne unterging.
Seit einer Party bei Mareike hatte Renate einen Fimmel für Olaf, einen Juso, der am Eichendorff die Oberprima besuchte und in der Schubertstraße wohnte. Der holte Renate jetzt immer zum Spazierengehen ab. Blonde Haare, blaue Augen, rank und schlank und SPD. In der großen Pause ging er meistens einen heben im Posthorn in der Casinostraße. Er rief oft an, und Papa moserte über Renate und ihren süßholzraspelnden Filz, wenn sie das Telefon zu lange blockierte.
Olaf hatte keinen Schulranzen, sondern nur ein Buch und ein paar Hefte in der Hand, wenn er morgens an der Haltestelle stand. Das hätte mir auch gefallen. Oder die Schulsachen zum Bündel geschnürt an einer Strippe über der Schulter zu tragen wie Tom Sawyer, aber als ich einmal so losziehen wollte, kriegte Mama mich am Kanthaken zu fassen. Ob ich übergeschnappt sei.
Im Hobbyraum spielten Renate und Olaf vierhändig Klavier. Nicht so brillant wie Marek und Vacek, aber ganz gut, und dann gingen sie zum Kaffeetrinken in Renates Zimmer.
Nach einer halben Stunde schickte Mama mich zum Spionieren hoch, nach der alten Masche: »Frag mal, ob die noch Büchsenmilch brauchen.«
Platten hörten sie. El Condor Pasa.
Renates neuer Eumel war auch Redakteur bei einer Schülerzeitung, und er machte bei einer Verkehrszählung mit. Vom Bus aus konnte man ihn sehen, wie er auf einem Klappstuhl vorne an der Rheinbrücke saß und eine Strichliste führte.
Wenn ich in den Sommerferien in Spanien schwimmen können wollte, mußte ich mich ranhalten. So langsam war ich auch zu groß fürs Nichtschwimmerbecken. »Da gondelt zuviel Kinderpisse drin rum«, sagte Michael Gerlach, und wir wagten uns ins tiefe Becken, obwohl ich nur fünf Züge konnte und Michael nur Hundekraulen.
Wir übten am Rand und hielten uns fest, wenn uns die Kräfte verließen oder wenn irgendein Kotzbrocken im Delphinstil das Wasser aufwühlte, so daß man in den Wellen fast ersoff. Auf das Freischwimmer-Abzeichen legte Michael aber keinen gesteigerten Wert, weil man dafür nach fünfzehn Minuten Brust auch noch vom Einer springen mußte: »Für so ’n Stück Stoff setz ich doch nicht mein Leben aufs Spiel!«
Zur Prüfung kam Renate mit, um mir beizustehen. Sie meldete mich auch beim Bademeister an, aber sie hatte ihre Armbanduhr nicht mit, und als dem Bademeister einfiel, nach mir zu kucken, war ich schon fast eine halbe Stunde lang geschwommen und hatte blaue Lippen.
Dann noch vom Einer. »Nicht lange nachdenken«, sagte Renate. »Loslaufen und hopp!«
Das tat ich dann auch, aber ich hatte vergessen, mir die Nase zuzuhalten, und mir blubberte der Kopf mit Chlorwasser voll.
Mama hatte keine Zeit, mir das Abzeichen auf die Badehose zu nähen, weil Volkers Konfirmation bevorstand und Haus und Garten generalüberholt werden mußten. Papa fegte die Terrasse mit dem Piassababesen, und innen wienerte Mama alles blitzeblank. Beim Staubwischen entdeckte sie im Hobbyraum mein Kompositionsheft. »Sonatinen von Schlosser! Zum Schießen! Und keine einzige Note drin!« Das Heft war meins, und ich wollte es haben, aber Mama wollte es mir nicht geben. »Räum erstmal dein Zimmer auf, dann überleg ich mir, ob ich das hier allen zeige oder nicht!«
Am Pfingstsonntag ging es hektisch zu. Wiebke hatte Geburtstag, und die Gäste waren im Anmarsch: Onkel Walter und Tante Mechthild, Onkel Edgar und Tante Gertrud, Tante Edith und Onkel Immo und ein Rudel Vettern und Kusinen.
Eins, zwei, drei Autos standen vor unserm Haus auf der Straße, mit verschiedenen Stadtkennzeichen: DO, BI und HI.
Wiebke führte ihr Mainzelmännchen-Klebealbum vor. Anton, Berti, Conny, Det und Fritzchen. Und einmal packte Mama mich am Kragen, weil ich ein Kavalier sein und mich nicht vor anderen durch die Tür quetschen sollte.
Für die Konfirmation mußte Volker sich in Schale werfen. Der neue Anzug schlotterte ihm ums Gebein. Dazu ein breiter Streifenschlips aus Papas Beständen.
Mama hielt uns auf Trab. »Dein Haar ist heute auch noch mit keinem Kamm in Berührung gekommen!«
Fünfzig Pfennig kriegte ich für die Kollekte.
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat. Das war Volkers Konfirmationsspruch. Zusammen mit Volker wurden auch Hansjoachim und Michael Gerlachs Bruder Harald konfirmiert. An der Wand stand:
128 1+3
429
Weitere Kostenlose Bücher