Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
sattsam bekannten Schnalzlaut zu Gehör. »Mehr nach links von wo aus gesehen?«
»Von mir aus gesehen«, sagte Volker. »Aber nicht ganz so weit! Wieder ’n Stücksken zurück! Stop! Wieder mehr nach links! Stop! Zu weit! Wieder mehr nach rechts! Stop!«
O selige Kinderzeit, als man für solche Aushilfsarbeiten noch zu klein gewesen war.
Mama holte den Karton mit den Christbaumkugeln vom Dachboden. Alle Jahre wieder.
Steht auch dir zur Seite, still und unerkannt,
daß es treu dich leite an der lieben Hand.
Eigentlich ja ganz anheimelnd, die Vorstellung, von einem unsichtbaren Christkind begleitet zu werden, wenn man so einsam wie üblich durchs Leben ging.
In der rappelvollen Gustav-Adolf-Kirche predigte Pastor Böker über Johannes 15,1: Ich bin der rechte Weinstock, und mein Vater der Weingärtner. Rhabarber, rhabarber. Wenn Jesus der Weinstock sei, dann seien wir die ihm vom Gärtner anvertrauten Reben, und wir sollten grüne, frische und gesunde Reben sein!
Einen Hund kriegte ich zwar nicht, aber einen Lederfußball, eine Taschenlampe, Franz Beckenbauers Buch »Einer wie ich«, zehn Mark und ’ne Tafel Schokolade aus Jever, zwanzig Mark von Tante Gertrud, zwanzig Mark von Onkel Dietrich und von Tante Dagmar einen Schokoladenweihnachtsmann und einen Gutschein für ihr altes Fahrrad. Das könnten wir bei unserem nächsten Besuch in Jever abholen.
Wiebke schmuste mit ihrem Goldhamster, der ihr wichtiger war als der Pelikano aus Jever, die Büx und das Strickpüppchen von Tante Therese und Oma Schlossers Federmäppchen mit Knipsverschluß.
Mama hatte der Weihnachtsmann einen neuen Dampfkochtopf und einen neuen Toaster beschert sowie Handtücher, Henkelbecher und Marzipan. Renate hatte von Tante Grete eine Dokumentenmappe und eine Honigkerze abgesahnt, die einen pestilenzialischen Gestank verströmte. Was Volker eingeheimst hatte, erfuhr man nur am Rande. Knete ohne Ende hauptsächlich.
Von Olaf hatte Renate eine Grußkarte mit Snoopy vornedrauf erhalten: »Wenn du am Weihnachtsabend ein Singen und Klingen aus der Luft hörst, dann weißt du, was das bedeutet!« dachte Snoopy, und wenn man die Karte aufklappte, dachte er grinsend: »Du hast zuviel getrunken!« Snoopy hatte immer nur Gedankenblasen.
Für Papa hatte Oma Schlosser eine steinalte Predigt von Opa Schlosser ausgegraben und kopiert, die er 1921 in Altenbochum gehalten hatte, als Synodalvikar, was immer das war. Die Handschrift konnte man nur mit Mühe entziffern.
Wir stehen unter dem schrecklichen Gericht Gottes, unter seiner schweren züchtigenden Hand ... Die Zukunft malt sich in vieler Augen wie in todesahnungsvolle Dämmerungen gehüllt ... Wenn wir um uns schauen, dann sehen wir noch heute die Götzen triumphieren ... Redet nicht Gott wider uns mit Donnerworten?
Weil die Christbaumkerzen nicht genug Licht hergaben, machte ich meine Taschenlampe an und las in dem Buch von Franz Beckenbauer, und da schnauzte Papa mich an: Das sei Stromverschwendung.
Von dem Hamster war Mama schon einigermaßen bedient. Der hatte sich unterm Klavier verschanzt und ließ sich auch mit Vitakraftkörnern nicht wieder hervorlocken.
Am ersten Weihnachtsfeiertag bereitete Mama einen Schweinerollbraten im Römertopf zu. Der leckere Geruch schlingerte bis ins Wohnzimmer, wo Volker, Wiebke und ich Monopoly spielten. Die Regeln mußte man Wiebke leider dauernd neu erklären.
Volker hatte sich in den Besitz der Prinzenstraße und der Schloßallee gebracht. Ich besaß nur die Elisenstraße, die Chausseestraße und das Wasserwerk, und Wiebke, die außer der Badstraße noch überhaupt nichts ihr eigen nannte, mußte laufend ermahnt werden. »Wiebke! Du bist dranne! Würfel doch mal endlich!«
Wiebke hatte nur für ihren Hamster Augen. Immer, wenn er eingeschlafen war, grabbelte sie ihn aus seinem Häuschen heraus und verpaßte dem armen Vieh neue Streicheleinheiten.
»Vorsicht! Heiß und fettig!« brüllte Volker, als er den Römertopf ins Eßzimmer trug.
Renate erzählte Witze. Zwei Tomaten fliegen nach Cuxhaven. Sagt die eine: »Vorsicht, da kommt ein Hubschraub-schraub-schraub-schraub ...«
Der war so ähnlich wie der Witz von dem verliebten Regenwurm, der über die Wiese kriecht und singt: »Chanson d’amou-hu-hur«, und dann kommt der Rasenmäher: »Ra-tatta-tatta ...«
Weshalb heißt der Löwe Löwe? Weil er durch die Wüste löwt.
»Kannst du nicht mal mit dem Schmatzen aufhören?« fragte Papa mich. »Da kriegt man ja Zustände, wenn man neben dir
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