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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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saß justament auf dem Klo, von wo man ihn husten hören konnte, und im Wohnzimmer hing eine neue Hängelampe von der Decke.
    Tante Dagmar zeigte mir ihr Fahrrad. Das war eins mit Tacho und 26er-Reifen. Ich drehte eine Runde durch die Stadt, vorbei am Schloß und an der Brauerei, am Friedhof und am Bahnhof lang und dann durch die Anton-Günther-Straße wieder zurück zur Mühlenstraße. Kilometerstand 1768.
    Im Wohnzimmer trug Oma Schalen und Schüsseln mit Rinderbraten, Kartoffeln und grünen Bohnen auf und zum Nachtisch Brombeerpudding mit schaumig gerührtem Brombeersaft. Sie nannte das »Mädchenmund«, weil ein Gast von ihr dazu mal gesagt hatte, daß diese Süßspeise so lieblich schmecke wie ein Mädchenmund.
    Die Standuhr gongte. Zwei Uhr nachmittags.
    »Elf Personen hast du hier gemästet, Mutti«, sagte Mama, »und nun mach mal halblang! Immer sutje! Und den Abwasch überläßt du bitte deinen vollgefressenen Töchtern!«
    In der Mittagsschlafenszeit spielten Gustav, Renate, Volker, Wiebke und ich in der Küche Denkfix. Fragekarten ziehen und die rote Scheibe mit der Lücke zur Bestimmung des Anfangsbuchstabens drehen. Eine Heldengestalt mit U?
    »Uwe Seeler!« rief ich, aber das ließen die anderen mir nicht durchgehen. Gustav behauptete sich dagegen mit »Ulysses«.
    Ein Wort aus der Bibel, schon wieder mit U.
    »Und!« rief ich, aber auch damit konnte ich keine Ehre einlegen. »Das gildet nicht«, sagte Volker, obwohl das Wort »und« in der Bibel wahrscheinlich öfter vorkam als jedes andere.
    »Upharsin«, sagte Gustav, unser Bücherwurm. Das stehe so im Alten Testament. »Mene, mene, tekel upharsin.«
    Die meisten Fragen, die man da beantworten sollte, waren schwer:   Was ist Liebe? Wie soll man sich benehmen? Was wünschest Du Dir? Ein Wort aus der Elektrotechnik, Anfangsbuchstabe P, eine Einrichtung des öffentlichen Lebens, Anfangsbuchstabe X, oder ein Wort, das ein neues ergibt, wenn der letzte Buchstabe wegfällt, so wie in Pappel, und dann sollte man eins finden mit dem Anfangsbuchstaben Ypsilon. Welche Wörter fingen schon mit Ypsilon an, außer Yoga, Yps und Ypern?
    Das ganze Spiel war darauf angelegt, Zwietracht zu provozieren, mehr noch als Mensch-ärgere-Dich-nicht oder Mikado, und da ging ich lieber in den Schloßgarten, die Enten füttern und nach Pfauenfedern suchen.
    Zum Tee schnitt Oma einen von Gustav gebackenen Klaben auf. Mama schimpfte über die Zugluft in unserem Haus, und Oma erzählte von der überspönigen Frau Borchers, die nun schon so lange im Altersheim vor sich hin vegetiere. Die hatte früher auch in der Mühlenstraße 47 gewohnt, aber dann den Verstand verloren. Über Volker und mich habe sie gesagt: »Mensch, die sind aber groß für den Alter!« Immer »für den« und nie »für das«, weil sie’s halt nicht besser gewußt habe. Oma und Opa habe sie mit ihrem mitternächtlichen Gekokel am Gasherd fast noch das Dach über dem Kopf angezündet. Und dann im Morgenmantel nachts auf die Straße gelaufen, auf der Suche nach ihren Kindern: »Die wissen ja nicht, wo ich bin!«
    In Meppen hievten Papa und Volker und ich die Eisenbahnplatte in den Keller. Da konnte sie nun vergammeln. Papa hatte zwar einen ganzen Panzerschrank voller Waggons und Loks, aber fahren ließ er die nie. Mama hätte ihm auch was gehustet, wenn er seine Freizeit am Modelleisenbahntrafo verbracht hätte, statt endlich den VW zu reparieren oder was sonst wieder kaputt war.
    In einem Western, in dem Steve McQueen als Halbblut Rache für den Mord an seinen Eltern nehmen wollte, erkannte ich einen der Killer an seiner Kartoffelnase wieder. Derselbe Schauspieler war später in den Straßen von San Francisco als Gesetzeshüter aufgetreten: Lieutenant Mike Stone alias Karl Malden.
    Den mochte Mama, doch das hielt sie nicht davon ab, mitten im Showdown ins Erste umzuschalten, weil da eine Schmonzette anfing, die sie vor zwanzig Jahren mal im Kino gesehen hatte. Eine saublöde Verwechslungskomödie mit einem Millionär, der einen armen Schlucker mimt, und einem Arbeitslosen, der für einen Millionär gehalten wird, und dann läuft zwischen denen alles drunter und drüber.
    Wer wissen wollte, wie der Western ausging, durfte auf die Wiederholung in fünf Jahren warten.
    Mit Tante Dagmars Rad machte das Fahren gleich viel mehr Laune als mit dem schittrigen Klapprad, auch wenn es natürlich ein Damenrad war. Wozu die Längsstange zwischen Lenker und Sattel bei Herrenrädern gut sein sollte, hatte ich sowieso nie

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