Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
den sprechenden Hund von Loriot hatte man besser verstehen können.
»Du hörst dich an wie ’n Chinese«, sagte Papa.
Mama hatte sich beim Treppewischen einen Hexenschuß zugelegt und verhielt sich dementsprechend gereizt, wenn man ihr abends in die Entscheidung über das beste Fernsehprogramm reinzureden versuchte.
Dann fuhr Papa Renate zum Krankenhaus, weil sie an mysteriösen Unterleibsschmerzen litt. Ob das der Blinddarm war? Oder ob sie was Falsches gegessen hatte? Aber dann wären wir ja wohl auch nicht verschont geblieben.
Sie hatte eine »Eileiterentzündung« und mußte im Ludmillenstift bleiben. Liegend, und zwar stramm! Zehn Tage Minimum. Voraussichtlich. Eisern liegen und den Bauch mit Eisbeuteln kühlen. Der geringste Leichtsinn in dieser Beziehung könne zur Folge haben, daß Renate eine »Verklebung« behalte und steril werde.
Was die Frauen untenrum so alles für Geschichten haben konnten, darum waren sie nicht zu beneiden. Das gleiche komplizierte Elend wie bei Autos: »Eileiter«, das klang auch nicht viel verlockender als »Zündverteiler«.
Der letzte Spieltag war eine reine Formsache, jedenfalls für die Gladbacher, die ihre Gäste vom 1. FC Köln mit 2:1 wieder nachhause schickten.
Im Spiel gegen Hertha BSC legte Gerd Müller mehr als einen Hattrick hin: Nach einer guten halben Stunde hatte er vier Tore geschossen. Am dramatischsten verlief diese Begegnung in den letzten acht Minuten – 6:2 Detlef Szymanek (82.), 7:2 Gerd Müller (84.), 7:3 Detlef Szymanek (87.), 7:4 Detlef Szymanek (89.). Phantastisch! Sowas wollte man doch sehen, auch wenn einem die Torhüter leidtun konnten, so wie Bernd Franke von Eintracht Braunschweig, der das runde Leder nicht weniger als sechsmal aus dem Netz holen mußte. Einmal hatte Bernd Hölzenbein getroffen, zweimal Bernd Nickel und dreimal Jürgen Grabowski.
Die rote Laterne teilten sich am Tabellenende Hannover 96, Kickers Offenbach und Bayer Uerdingen. Diese bedauernswerte Werksmannschaft hatte sich aus der Bundesliga mit einer 2:0-Niederlage in Duisburg verabschiedet und die Saison mit 28:69 Toren beendet. Es war mir schleierhaft, wie die Fans dieser Mannschaft das aushielten. Als Gladbachfan hatte man bessere Karten.
In einem Film abends im Ersten spielte Rod Steiger einen griesgrämigen jüdischen Pfandleiher, der in einem Slum in New York sein Dasein fristete und nur noch ans Geld dachte, seit die Nazis seine Frau und seine Kinder umgebracht hatten. In einer Rückblende war zu sehen, wie er in einem überfüllten Viehwaggon auf dem Weg ins KZ seinen Sohn auf den Schultern zu tragen versuchte und dafür irgendwann nicht mehr genug Kraft hatte. Lauter solche grausigen Szenen.
»Das kann man ja verstehen, wenn einem Menschen da die Gefühle absterben«, sagte Mama.
Aber dann wurde ihm bei einem Überfall von jemandem das Leben gerettet, der dabei starb, und in der Erschütterung darüber quetschte der Pfandleiher eine seiner Hände auf den Quittungshalterspieß.
Am Ende schleppte sich der Pfandleiher nach draußen, und man sah ihn irgendwo zwischen den Leuten auf der Straße davonirren.
Als ich Renate im Ludmillenstift besuchte, verriet sie mir im Flüsterton, daß die eine von beiden Frauen neben ihr im Zimmer eine Abtreibung hinter sich habe und die andere eine »Ausschabung«. (Mit einem Spachtel im Uterus? Das wollte ich lieber nicht so genau wissen.)
Von den Ärzten hatte Renate keine hohe Meinung: »Alles widerliche alte Säcke, die an einem rumgrapschen und -tatschen.« Eine Penicillinspritze hätten sie ihr verpaßt, gleich bei der Einlieferung, ohne nach allergischen Reaktionen zu fragen, und jetzt saßen Renate die Arme voller Quaddeln, die schauderbar juckten, und sie bekam Tabletten gegen den Juckreiz verabreicht. »Sowas Blödes! Und von ’ner anderen Spritze hab ich nur ’n schleimigen Mund gekriegt und sonst nichts, und den kodderigen Geschmack muß ich mit Pfefferminzdrops weglutschen!«
Das Semester könne sie abbrechen und die Fahrschule desgleichen. Zehn Fahrstunden hatte sie schon hinter sich.
Wenn das Eis in dem Beutel auf Renates Bauch geschmolzen war, mußte sie klingeln und neues bestellen.
Wir hatten ein Heimspiel, und der Rechtsaußen, den ich zu bewachen hatte, lief in brenzligen Momenten oft zurück bis zum eigenen Strafraum. Ich natürlich hinterher! Die Mittellinie überquerte ich als Manndecker sonst nur zum Abspielen, und bis zum gegnerischen Strafraum kam ich so gut wie nie. Vielleicht rollte mir da ja
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