Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Berufsfortbildungsfritzen mal wieder. Anstelle einer höflichen Anrede fing der Brief mit den Worten an:
ICH FORDERE SIE HERAUS!
Auf den Fotos in den früheren Briefen hatte einem dieser Mensch noch freundlich zugezwinkert, aber davon war er mittlerweile abgekommen. Für die aktuelle Lieferung seiner Korrespondenz hatte er ein Foto ausgewählt, auf dem er mich grimmig anstarrte. Keine Spur mehr von einem Lächeln. Verkniffener Mund, gerunzelte Stirn, zusammengezogene Augenbrauen und darunter ein kalter, stechender Blick. Klarer Fall: Ich hatte diesen Mann enttäuscht. Zutiefst.
Und das nahm er mir persönlich übel. Wenn ich so weitermachte, schrieb er mir, sinngemäß, dann wäre der Ofen bald aus. Dann könnte ich die Flinte auch gleich ins Korn werfen. Er habe mehr von mir erwartet! Ob ich denn wirklich die Hände in den Schoß legen und von einer entscheidenden Verbesserung meiner beruflichen und damit auch privaten Situation nur phantasieren wolle? Während andere das große Geld machten und der Verwirklichung ihrer kühnsten Träume durch harte Arbeit täglich ein Stück näherkämen?
Der Typ versuchte es mit allen Mitteln, und ich fragte mich, ob der mir irgendwie am Zeug flicken konnte, weil ich ihn reingelegt hatte? Der ahnte ja nicht, daß ich noch die Mittelstufe besuchte.
Ich ließ es darauf ankommen und steckte auch diesen Brief in die Mülltonne. Wer die Hände in den Schoß legte, der brauchte ja, wie man von Otto Waalkes wußte, noch lange nicht untätig zu sein.
Renate durfte wieder aufstehen, ging aber noch ziemlich eierig nach ihren fast einhundert Liegestunden.
Die ausgeschabte Frau im Nachbarbett hatte Besuch von ihrem Mann, aber sie stierte stumm zur Zimmerdecke, und der Mann saß da und blätterte in einer Illustrierten. Frau mit Herz.
Renate nörgelte über ihre Plimpersuppe und das eklige Aroma von Äthanol und Sagrotan und das ewige Kirchenglockengeläute. Ihre Ohren seien schon fast taub davon.
Aus der Stadtbücherei besorgte ich mir den »Simplizissimus«. 766 Seiten hatte die Schwarte, in der ich als erstes nach der Stelle mit dem Furz beim Servieren suchte. Die war im Buch sogar noch komischer als im Fernsehen:
Je greulicher der Unterwind knallete, je grausamer das »Je pète« oben herausfuhr, gleichsam als ob meines Magens Ein- und Ausgang einen Wettstreit miteinander gehalten hätten, welcher unter ihnen beiden die schröcklichste Stimm von sich zu donnern vermöchte.
Zur Strafe wurde Simplex »zerkarbeitscht«, was den Tischgästen nicht viel nutzte:
Da brachte man Rauchtäfelein und Kerzen, und die Gäst suchten ihre Bisemknöpf und Balsambüchslein, auch sogar ihren Schnupftobak hervor, aber die beste Aromata wollten schier nichts erklecken. Also hatte ich von diesem Actu, den ich besser als der beste Komödiant in der Welt spielte, Friede in meinem Bauch, hingegen Schläg auf den Buckel, die Gäst aber ihre Nasen voll Gestank und die Aufwarter ihre Mühe, wieder einen guten Geruch ins Zimmer zu machen.
Solche Unterwinde waren mir wohlbekannt. »Die leisen sind die schlimmsten«, sagte man im allgemeinen, aber das stimmte nicht.
Im Dritten lief ein angsteinflößender Spielfilm über ein autoritäres Regime, in dem gedungene Mörder, korrupte Staatsanwälte und ein Oberfinsterling von Polizeipräsident die meiste Zeit über am längeren Hebel saßen als ihre Gegner, und als man aufatmen wollte, weil es endlich andersrum zu kommen schien, putschte sich das Militär an die Macht. Und das ging noch brutaler zur Sache.
Als normaler Mensch hätte man da in den Untergrund gehen müssen. Oder abhauen, wenn man nicht gefaßt und beim Verhör aus dem siebenten Stock des Polizeipräsidiums geworfen werden wollte.
Constantin Costa-Gavras hieß der Regisseur.
Gegen die Jugos taten wir uns schwer im Halbfinale der EM in Belgrad. Die gingen früh in Führung und erhöhten dann auf 2:0, und nach dem Seitenwechsel sah’s anfangs kaum rosiger aus. Gerd Müller fehlte eben an allen Ecken und Enden! Erst in der 65. Minute bescherte uns der eingewechselte Kölner Heinz Flohe wenigstens den Anschlußtreffer, aber das genügte noch nicht. Ein glückliches Händchen hatte Helmut Schön dann allerdings auch bei der Einwechslung von Dieter Müller, der in der 79. Minute für Herbert Wimmer auflief und sofort den Ausgleichstreffer schoß, gleich bei der ersten Ballberührung in seinem allerersten Länderspiel!
In der Verlängerung ging den Brüdern vom Balkan die Puste aus, und Dieter
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