Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
sind keine Menschen. Das ist ein Aussatz, und der muß ausgebrannt werden wie ein Aussatz.«
Den Bürgerkrieg hatten aber die Franquisten gewonnen. Und in deren Polizeistaat hatten wir 1973 mit der ganzen Familie Urlaub gemacht.
Übers Wochenende fuhren Mama und Papa nach Wiesbaden, wo Onkel Dietrich eine Party steigen ließ, zu seinem 35. Geburtstag. »Schon die Hälfte eines biblischen Alters«, hatte auf der Einladungskarte gestanden. Onkel Dietrich war der Benjamin der Sippe.
Schön, so ein Wochenende ohne Eltern, doch was hatte man davon? Weil Gladbachs Heimspiel gegen Dortmund ausfiel und erst irgendwann später nachgeholt werden konnte, blieb bis dahin der Tabellenstand verzerrt. Ich fand es sowieso schon bekloppt, daß die Spiele nicht immer zur gleichen Zeit stattfanden, sondern manchmal welche am Freitagabend und die anderen am Samstagnachmittag. Als DFB-Chef hätte ich diesen Quatsch sofort verboten.
»Dein Patenonkel Dietrich scheint’s ja zu haben, so wie der sich für die Feier in Unkosten gestürzt hat«, sagte Mama. Papa war im Keller verschwunden, und dann gab es noch Knatsch, als sich herausstellte, daß Wiebke eine Mathearbeit verbockt hatte.
In Deutsch kam ein Gedicht aus dem Dreißigjährigen Krieg an die Reihe. »Thränen des Vaterlandes« von Andreas Gryphius:
Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!
Der frechen Völker Schaar, die rasende Posaun’,
Das von Blut fette Schwerdt, die donnernde Karthaun’
Hat Aller Schweiß und Fleiß und Vorrat aufgezehret ...
Eine »Karthaune« stellte ein schweres Geschütz dar. Eine frühneuzeitliche Vorform der Bordkanonen des Panzers »Leopard«, an dessen Entwicklung auch Papa beteiligt war.
Im Dreißigjährigen Krieg hätt’ ich’s keine Sekunde lang ausgehalten. Worum war’s da überhaupt gegangen? Doch wohl nur um Zwistigkeiten zwischen lauter machtgeilen aristokratischen Sabbersäcken, die sich allesamt als gute Christen betrachtet hatten, und in dem Schlamassel waren die armen und einfachen Leute dem Verrecken preisgegeben worden, zur höheren Ehre Gottes.
Ich wäre abgehauen. Auf gut Glück, nach der Überlebensdevise der Bremer Stadtmusikanten: Etwas Besseres als den Tod findest du überall.
Außer vielleicht in Bodega Bay in Kalifornien, wo Alfred Hitchcock seine Vögel wüten ließ. Die stumme Szene mit der Leiche mit den ausgehackten Augen! Oder wie sich die Raben versammeln, zu Hunderten, hinter dem Rücken von Melanie Daniels, die nichts davon merkt, bis es schon fast zu spät ist, um die Kinder aus dem bedrohten Schulgebäude zu retten ...
Was für ein Film! Dabei vergaß man einmal alles rings um sich herum, für zwei Stunden, bevor einem wieder bewußt wurde, wo man wohnte, wer man war und welche Fächer einem morgens bevorstanden.
Volker hatte sich ein Gerstenkorn im rechten Auge angelacht, was unglaublich Scheiße aussah.
Beim Frühstück belegte Papa den politischen Teil der Meppener Tagespost mit Beschlag, und Mama widmete sich dem Lokalteil. Einmal in der Woche lag der Zeitung eine Fernsehzeitschrift namens rtv bei, und die interessanteste Rubrik war die mit der Vorschau auf das Programm der jeweils übernächsten Woche, aber da wurde leider nie irgendwas Weltbewegendes angekündigt.
Was mich in Geschichte am meisten anödete, war die Karikatur von Napoleon und dem englischen Minister Pitt, wie sie in ihrer Freßgier die Erdkugel zerteilen. Napoleon schneidet sich Kontinentaleuropa ab und Pitt die Weltmeere, und der gargekochte Globus dampft. Mehr als einmal hätte ich mir diese Karikatur nicht anzusehen brauchen, um zu verstehen, was damit gemeint war, aber im Geschichtsbuch hatte ich sie mir jetzt schon mindestens fünftausendmal angekuckt. Und dann noch Kunst und dann noch Franz, im ungelüfteten Sprachlabor.
Complétez les phrases: S’il travaillait plus sérieusement ... il pourrait avoir de meilleures notes.
Werder Bremen schlug Gladbach mit 1:0. Wenn das so weiterging, war nicht mehr viel zu hoffen. Und dabei hatte die Saison so berauschend angefangen!
Oma Jever litt an einer Venenentzündung am rechten Bein, und Oma Schlosser mußte in ein Altersheim umziehen, nach Bielefeld-Sennestadt. Da wären dann ja Tante Gertrud und Onkel Edgar in Rufweite, und die könnten Oma Schlosser oft besuchen und ihr Mut zusprechen, wenn sie welchen brauchte. Sie wolle nicht bei Krethi und Plethi wohnen, hatte sie erklärt.
Das sei auch so ein Schlossersches Erbteil, sagte Mama, nachdem sie lange mit Tante
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