Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Konzert in der Musikschule Mitte Juni, gemeinsam mit einer Geigerin, und dann spielte er mir die scheißschweren Noten vor und schrieb mir die Telefonnummer der Geigerin auf. Die wisse schon Bescheid.
    Ophelia Bustwig hieß die, und es wäre mir leichter gefallen, mich bei der zu melden, wenn sie einen normaleren Namen gehabt hätte. Konnte die nicht einfach Steffi Müller heißen?
    »Bustwig!«
    »Guten Tag, mein Name ist Martin Schlosser. Kann ich die Ophelia sprechen?«
    »Wer ist da?«
    »Martin Schlosser.«
    »Wer?«
    »Martin Schlosser.«
    »Und Sie wünschen?«
    »Ich hätte gern die Ophelia gesprochen.« Wen ich da an der Strippe hatte, war mir nicht klar. Die Mutter?
    Es blieb ein paar Sekunden lang still in der Leitung, und dann hörte ich die Person am anderen Ende brüllen: »Offi! Teflon!«
    Am liebsten hätte ich den Hörer wieder aufgelegt, aber wie hätte ich das dem Radowski erklären sollen? Im Haushalt der Bustwigs ging ein großes Getrappel vonstatten, während ich auf eine Antwort wartete.
    »Ophelia Bustwig?«
    »Ja, hallo, hier ist Martin Schlosser ...«
    »Ach, ich weiß schon, wegen dem Konzert! Können wir dafür nächste Woche üben? Vorher hab ich echt kein Fünkchen Zeit!«
    So wie die sich anhörte, war sie höchstens dreizehn. Wir verabredeten uns für Dienstagnachmittag, bei mir, weil ich ja schlecht das Klavier mit zu der hätte schleppen können.
    Im Spiegel stand, daß jeder zweite Deutsche für die Wiedereinführung der Todesstrafe sei. Zu den Befürwortern der Todesstrafe gehörte auch der CSU-Politiker Richard Jaeger. »Deshalb nennt man den auch Kopf-ab-Jaeger«, sagte Mama. Sie war strikt gegen die Todesstrafe: Einen Menschen ums Leben zu bringen, das stehe niemandem zu, auch keinem Richter oder Scharfrichter
    Weil der alte Staubsaugerschlauch porös war, kaufte Mama einen neuen, und wir kriegten auch eine neue Waschmaschine geliefert, aber die wichtigste Anschaffung war Volkers langersehntes Moped, Marke Zündapp, gebraucht, Typbezeichnung C 50, mit drei Gängen und zwei Komma acht PS. Das Moped war für zwei Personen zugelassen, aber von uns wollte keiner mitfahren. Ich schon gar nicht. Dazu hätte ich auch gar keine Gelegenheit gehabt, denn ich mußte mal wieder Unkraut rupfen.
    Don’t leave me waiting here
    Lead me to your door ...
    In Bonn war der Altkanzler Ludwig Erhard gestorben. Das war der mit der Zigarre und dem dicken Bauch. Wohlstand für alle: Aus gutem Grund ist Ludwig rund.
    Mama wollte mit Wiebke nach Jever fahren, um Oma und Opa einen Besuch abzustatten, aber vorher mußte ein Brief an den BWB getippt werden, mit dem Papa sich noch immer wegen der Umzugskostenvergütung herumstritt. »In der Anlage«, diktierte Papa, »übersende ich Ihnen ... eine nicht mehr vollständige Sammlung von Zuschriften auf zwei Anzeigen Punkt. Mit allen Interessenten ... ist entweder telefonisch oder persönlich ... Kontakt aufgenommen worden Punkt. Da ich in Vorbereitung des Umzugs Dringenderes zu tun hatte Komma ... sind Aufzeichnungen über Telefonate oder gar Kopien von Antwortschreiben ... nicht gemacht worden und könnten nachträglich nur konstruiert werden ... Absatz ... Weitere Erklärungen zu diesem Punkt gebe ich nicht ab und stelle anheim, den Posten im Zweifelsfalle zu streichen.«
    Mama hämmerte wie rasend auf die klingelnde Schreibmaschine ein und fragte dann: »Hochachtungsvoll?«
    »Nein«, sagte Papa. »Das bleibt so, wie’s ist. Diesen Arschlöchern kann ich keine Hochachtung erweisen.«
    Im Eßzimmer hing noch der Blumenkohlgestank vom Mittagessen in der Luft, als ich das Stück übte, bei dem ich diese jungsche Geigerin in der Musikschule begleiten sollte.
    Drei Minuten vor dem Schlußpfiff lag Saarbrücken gegen Gladbach mit 1:2 hinten und schaffte dann doch noch den Ausgleich. Es war nicht zu fassen, wie leichtsinnig Gladbach mit der Titelchance spielte. Braunschweig hatte zwar 0:1 gegen Bremen verloren, aber dafür war Schalke wieder im Aufwind und nach einem 4:0 gegen Hertha auf den zweiten Platz gerückt und nur noch zwei Punkte von Gladbach entfernt.
    Rot-Weiß Essen hatte spektakulär mit 1:8 gegen Eintracht Frankfurt verloren, wobei Rüdiger Wenzel dreimal getroffen hatte. Über einen Mangel an Torjägern brauchte Helmut Schön sich nicht zu beklagen. Beim 6:1 gegen Bochum hatte Dieter Müller wieder vier Tore geschossen.
    Über die Spiele in der Bundesliga führte ich genauer Buch als über meine eigenen, denn die interessierten ja doch keinen