Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Stelldichein mit einem Mistkerl namens Hierangl Xaver, der aber alles abstritt ...
Als einzige Attraktion hatte Luxemburg die Kasematten zu bieten, ein altes Festungsbollwerk, also wieder einmal eine Kriegsbastion aus einer Zeit, in der sich unsere Vorfahren am laufenden Meter gegenseitig verdroschen hatten. Mir hingen diese steinernen Vergangenheitsmonumente allmählich zum Hals raus. Ich setzte mich ab und trieb mich in einem sonnigen Park herum und in den Gassen der Stadt. Vielleicht würde ja irgendwo eine lebenslustige Einwohnerin zufällig durch ihr Verandafenster kucken, wenn ich da vorüberflanierte, und mich zu sich hereinbitten, zu ’ner Tasse Kaffee, aus Spaß an der Freude, und auf einmal würden wir uns miteinander auf dem Teppich wälzen. Nachher wüßten wir dann selbst nicht mehr so genau, welcher Teufel uns geritten hatte. Zum Abschied würde ich einen Kuß bekommen und danach ewiges Stillschweigen über die Affäre bewahren, aber noch als Greis mit wehem Herzen daran zurückdenken: Weshalb war ich damals nicht in Luxemburg geblieben, bei der herzensguten Swantje?
Hätte doch sein können, daß sich so etwas ergab? Im befreundeten Ausland? Ich hielt die Augen offen, aber alles, was ich erblickte, war ein bissiger, in die Erkermauer eines Hauses gemeißelter Wahlspruch:
Mir wölle bleiwe wat mir sin.
Na, dann sollten sie’s doch, die Luxemburger. Wenn sie das unbedingt wollten?
Abends trieben Hermann, Ralle, der Bohnekamp und ich eine Kneipe in Hermeskeil auf, in der man es aushalten konnte. Wir bestellten uns jeder einen halben Liter Bier. Auf einem Regalbrett hinterm Tresen stand ein Fernsehgerät, in dem sich der Bundeskanzler mit einem Wort an die Entführer von Hanns-Martin Schleyer bemerkbar machte: »Sie irren sich! Wir werden uns von Ihrem Wahnsinn nicht anstecken lassen. Sie halten sich für eine kleine ausgewählte Elite, welche ausersehen sei – so schreiben Sie – ›die Massen zu befreien‹. Sie irren sich! Die Massen stehen gegen Sie!«
»Da hat er recht«, sagte Hermann. Die Massen hätten kein Verständnis für die RAF, zumindest nicht die Massen in Rütenbrock, und wahrscheinlich würden auch die Massen in Haren und Rühle den Terror mehrheitlich ablehnen.
Der Bohnekamp bestätigte das für Haren, während Ralle sich als Eingeborener von Rühle nicht für alle seine Nachbarn verbürgen wollte: Da gebe es ’n paar Männeken, denen er durchaus zutraue, daß sie den Schleyer in ihrem Heuschober gefangenhielten.
Im Trierer Landesmuseum warteten am Freitag eine Menge alter Pötte, Vasen, Teller, Scherben, Faustkeile und Münzen auf gebührende Beachtung, und dann kamen noch die Ruinen der römischen Kaiserthermen an die Reihe und ein steinaltes Amphitheater, von dem einem aber keiner sagen konnte, ob auf dessen Bühne im Altertum christliche Märtyrer von Löwen zerrissen worden waren.
»Ave Cäsar, morituri te salutant ...«
Hermann war ausgerückt, um sich das Geburtshaus von Karl Marx anzusehen, und der Albers meinte, er wäre lieber in das eine Kino gegangen, wo der Film »Drei Schwedinnen in Oberbayern« lief.
Den vorläufig letzten Programmpunkt bildete eine Wanderung über einen anderthalb Kilometer langen Weinlehrpfad mit anschließender Weinprobe. Ob sich der Böhringer und die Wuttke das auch gut überlegt hatten?
Anfangs ging es noch ganz gesittet zu, aber mit dem dritten oder vierten Gläschen hatten sich der Holzmüller und der Albers schon genug Mut angetrunken, um laut herumzukrakeelen und den Winzer zu verärgern, der ja nicht wissen konnte, daß seine Gäste aus einer weniger zivilisierten Ecke Deutschlands angereist waren.
Ich fand den Wein generell zu sauer, aber ich war mir nicht sicher, ob das an den Rebsorten lag. Papa hatte mal erzählt, daß die Weinbauernknechte nach der Traubenlese traditionell mit nackten Drecksfüßen auf den Weintrauben herumsprängen. Eine Bierprobe wäre mir und auch Ralle jedenfalls lieber gewesen.
Auf dem Weg zum Bus kam uns die dicke Ulla Kötter entgegengeschlurft und sagte: »Na, Ralle, du altes, versoffenes Loch?«
Was das wohl gesollt hatte? Wir lachten uns halb krank darüber, immer wieder, auch Stunden später noch, beim Essenfassen in der Herberge: »Na, Ralle, du altes, versoffenes Loch?«
Wie es aussah, war einigen anderen der Wein tatsächlich zu Kopf gestiegen. Der Holzmüller, der Niebold und der Harms versuchten sich nach dem frugalen Abendessen in Hermeskeil draußen gegenseitig in einem Brunnen zu
Weitere Kostenlose Bücher