Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
herumsprechen mußte.
So many tears I was searching
So many tears I was wasting
Oh ... Oh ...
Das war das Leben. Und nicht das, was ich arme Sau hier führte. Und auch nicht das, was Mama und Papa führten. Verglichen mit denen hatte ich’s ja noch relativ gut: In dreieinhalb Jahren würde ich aus Meppen abhauen, irgendwohin, wo die Musik spielte, und ich würde den Teufel tun und mir nach dem Studium von was auch immer einen Job in einem Kaff wie Meppen suchen. Geschweige denn in Meppen selbst. Als Lokalreporter der Meppener Tagespost womöglich, um bis zur Rente von Kegelvereinsfeiern und der Neugestaltung irgendwelcher Sparkassenparkplätze zu berichten. Oder als Pauker am Kreisgymnasium! Das Allerhinternachletzte!
Mama und Papa dagegen waren hier gefangen, mindestens bis zu Papas Pensionierung irgendwann in grauer Zukunft. Und in der ganzen Zeit würde sich absolut nicht das geringste ändern. Papa würde mufflig zur Arbeit fahren, mufflig zurückkommen und dann in der Werkstatt abtauchen oder im Garten, und Mama würde einkaufen, kochen, aufräumen, saubermachen und sich abends vor die Flimmerkiste hocken. Jahrein, jahraus. Mit krampfigen Familienfeiern als einzigem Lichtblick. Und die brachten mehr Streß mit sich als gute Laune.
Als Jugendlicher in Meppen festzustecken war ja schon schlimm genug. Aber als Erwachsener? Dazu verurteilt, erst im Greisenalter von hier verduften zu dürfen? Grauenhaft. Und dazu kam noch, daß Mama und Papa jetzt schon viel zu alt waren, um sich mit der Musik von den Beatles trösten zu können. Ich selbst wußte gar nicht mehr, wie ich es früher ohne meine Platten ausgehalten hatte in diesem erdrückenden, stinkenden Scheißhaufen namens Meppen.
Den neuen Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff, der kriegsverletzt war und am Stock ging, nannte man in Bonn »Seine Eloquenz Graf Silberkrücke«. Das war auch wieder einer von der FDP. Das Wirtschaftsministerium verwalteten die irgendwie in Erbpacht.
Mama brach zu einer großen Tour auf, von Meppen über Hannover und Hildesheim nach Bielefeld und Bonn, wo Wiebke eingesammelt werden mußte, aber von mir aus hätte diese alte Pißnelke ruhig noch länger in der Ferne weilen können.
Neue Post aus Vallendar:
Hallohallollollo.
Viel zu schreiben gibt es ja nicht. Also, der Harald hat sich ein Auto angeschafft. Nicht gekauft, nee. Geliehen vonner Bekannten. 14 Jahre alt isse, die Mühle (nicht die Bekannte), und außerdem ’n Käfer. Was sind schon 14 Jahre für ’nen Käfer? Die paar Roststellen. Und daß die Beifahrertür während der Fahrt ab und zu mal aufgeht, was issen schon dabei? Alles Kleinigkeiten. Nur der Spritverbrauch fällt ins Gewicht. Der würde nämlich jedem Straßenkreuzer zur Ehre gereichen. Die Hauptsache ist jedenfalls, daß das Auto fährt. Jedenfalls manchmal, wenn nicht gerade die Benzinleitung verstopft ist oder irgendwelche Teile aus dem Motor herausfallen. Aber wenn es fährt, ja dann ... wow, dann entfaltet sich die volle Schubkraft von altersschwachen 30 PS. Allerdings wäre es besser, auf diese Schubkraft zu verzichten, da erstens das Motorgeräusch die Verwendung von (leider nicht vorhandenem) Ohropax erfordert und zweitens die Bremsen die Verzögerung auf Nullgeschwindigkeit nur dann ermöglichen, wenn irgendwo ein Baum zurhand ist. Da jedoch die Höchstgeschwindigkeit die eines Mofas nur unwesentlich überschreitet (ca. 80 km/Woche, aber auch nur bei Rückenwind, Gefälle und maximal zwei Motorschäden pro km), braucht man sich um die Wirkung der Bremsen eigentlich nur dann Sorgen zu machen, wenn man losfährt, weil die Dinger ab und zu klemmen und dann plötzlich Verzögerungswerte erreicht werden, als ob man einen Rennwagen unter dem Hintern hätte.
Aber die Scheibenwischer, die funktionieren. Und was will man mehr?
Das war’s von Haralds Mistkarre. Was ist sonst noch passiert? Ach ja, mein Lateinlehrer will mir einen meiner Trickfilme abkaufen. Für 5 DM. Toll, was? Ich hab ja schon immer gewußt, daß der Kerl total bekloppt ist.
Gestern haben sich in der Pause ’n paar Kommunisten vor das Schulhoftor gestellt und da mit ’ner Flüstertüte irgendwas rumgebrüllt. Verstehen konnte man nichts, weil das Ding irgendwie kaputt war, jedenfalls hat’s meistens bloß gerauscht. Ich hab nur den Namen von ’nem Lehrer verstanden, der bei uns unterrichtet und ziemlich rechts ist. Unser Physiklehrer ist gleich ans Tor gesprungen und hat es zugeschmissen, damit keiner rauskonnte. Schließlich
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