Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
ab.
»Materialermüdung«, sagte Volker
Das sah ich anders. Ich faßte diesen Vorgang als böses Omen auf, das mir sagen sollte: Schuster, bleib bei deinem Leisten.
In Erdkundesaal saß Michaela Vogt vier Reihen oberhalb von mir, und manchmal war mir so, als ob der Blick aus diesen Augen über meinen Hinterkopf und meine Schultern gleite.
Industrialisierung und Bevölkerungsentwicklung. Da gab es in allen Gesellschaften vier Phasen: In der ersten war die medizinische Versorgung schlecht, und wenn die Menschen im Alter nicht verhungern wollten, mußten sie möglichst viele Kinder in die Welt setzen. Folge: hohe Geburtenraten, hohe Sterberaten. In der zweiten Phase ging die Sterberate zurück, weil sich die hygienischen Verhältnisse verbesserten, aber die Geburtenrate blieb so weit oben, daß die Bevölkerung rasch anwuchs. In der dritten Phase brachte die fortschreitende Industrialisierung bessere Verdienstmöglichkeiten mit sich, die zu einem deutlichen Geburtenrückgang führten, weil Kinderreichtum nicht mehr gleichbedeutend mit einer guten Altersversorgung war. Und in der vierten Phase war in den hochindustrialisierten Staaten die Geburtenrate mitunter sogar niedriger als die Sterberate.
Was wäre also vonnöten, um das Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern zu bremsen?
»Mehr Verhütungsmittel!« rief Ulla Nölting, doch der Albers hatte einen praktischeren Vorschlag: »Mehr Weltkriege!«
Als Hausaufgabe sollten wir die Alterspyramide der Bundesrepublik Deutschland von 1976 interpretieren. Die wies zwei Dellen auf – bei den Dreißigjährigen, weil in der Nachkriegszeit weniger Kinder geboren worden waren, und bei den plusminus Sechzigjährigen, weil da die Opfer des Zweiten Weltkriegs fehlten.
Wenn Opa Jever an der Ostfront gefallen wäre, hätte seine Pyramidenstufe noch um ein Nanometerchen kürzer ausfallen müssen.
In dem Film »Die verlorene Ehre der Katharina Blum« spielte Angela Winkler eine Frau, die einem polizeilich gesuchten Mann Unterschlupf bot und sich danach von einem Kommissar die Frage stellen lassen mußte, ob sie mit diesem »Anarchisten« auch »gefickt« habe. Von den Fernsehkommissaren, die ich kannte, hätte sich nie einer so ruppig ausgedrückt. Wenn das der Originalton deutscher Kriminalisten war, dann gute Nacht, Marie.
In einer anderen Szene sah man, wie sich ein Reporter über eine Ansammlung junger Frauen freute: Das scheine hier ja ein »sexuelles Notstandsgebiet« zu sein. »Vielleicht können wir hier noch einen wegstecken!« Am Ende wollte er auch Katharina Blum noch interviewen und ficken, aber die schoß ihn tot.
Nach einer traumhaft genauen Flanke von Abramczik erzielte Fischer im Testpiel gegen Wales das 1:0, und da wurde ich wieder unsicher. Ob ich nicht doch zum SV Meppen zurückgehen sollte?
Im Kreisgymnasium spielten die Heizkörper verrückt. Sibirische Kälte in der Umkleidekabine, aber dafür Backofentemperaturen in der Turnhalle. Erst bibbern und dann schwitzen müssen, das hatte man gern.
Der Einfachheit halber schenkte ich Tante Gertrud, Onkel Dietrich und Tante Dagmar sowie Oma und Opa Jever zu Weihnachten schlußendlich allen das gleiche Taschenbuch mit Radio-Eriwan-Witzen. Frage an Radio Eriwan: »Bei uns in der Arbeit ist einer gefeuert worden, der immer zu spät gekommen ist. Grund: Er wollte die Produktion sabotieren. Jetzt ist einer entlassen worden, der immer zu früh zur Arbeit gekommen ist. Bei ihm war der ›Verdacht auf Werksspionage‹. Warum ist mein Freund Igor jetzt weg, er war immer ganz pünktlich?« Antwort von Radio Eriwan: »Er hatte eine westliche Uhr.«
Für Oma Schlosser mußte ich mir was anderes überlegen, denn die hatte vermutlich keinen Sinn für Witze über den Kommunismus. Ein Taschenbuch mit Erzählungen von Siegfried Lenz, das schien das Richtige zu sein.
Mama und Papa schenkten Oma Schlosser ein Jahres-Abonnement der Zeit und taten dem Verlag gegenüber so, als ob ich Oma dazu überredet hätte. Wenn man als Abonnent der Zeit einen neuen Abonennten warb, kriegte man eine Buchprämie hinterhergeworfen.
Für Papas Patensohn Robert mußte Mama auch noch ein Geschenk aussuchen, einpacken und zur Post bringen, und zwar eine Kassette von den »Vielharmonikern«. Das waren welche, die die Comedian Harmonists nachmachten. »Ich wollt’, ich wär ein Huhn«, »Veronika, der Lenz ist da« und solches Zeugs.
Vor Weihnachten kam es noch einmal knüppeldick mit Arbeiten in Mathe, Sozialkunde und Physik.
Dicke
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