Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Scheiße.
»Gut«, sagte ich, »na klar, ich hol’s eben von oben ...«
Ich rannte die Treppe hoch in mein Zimmer und riß die Schranktür auf. Mein Trikot vom SV Meppen. Wann hatte ich denn das zuletzt gesehen?
Das Trikot lag hinter einem Hemdenstapel unter einem Knäuel verwumpelter Klamotten, und das war das Ende aller meiner Träume von einem Dasein als Fußballstar.
Im Hauseingang nahm Uli Möller mir das Trikot aus den Händen, und er sah mir dabei nicht in die Augen.
»Tschüß«, sagte er und ging weg, und ich machte die Haustür zu und sah ihm durch die Türgardine nach.
Wie hätte ich dem erklären sollen, weshalb ich keine Lust mehr dazu hatte, in der B-Jugend mitzuspielen?
Nach einem Telefonat, das Mama mit Michael Gerlachs Mutter geführt hatte, stellte sich heraus, daß ich nach Vallendar fahren durfte. Renate und Olaf würden mich nach Silvester bis Bonn mitnehmen, dann würde ich bei denen pennen und am nächsten Tag mit dem Zug nach Vallendar weiterreisen, für ein paar Tage, bis zum Ende der Weihnachtsferien.
»Und nun unterbrich mal dein Freudengeheul und sieh zu, daß du bis dahin wieder regelmäßig jeden Tag Klavier übst«, sagte Mama. »Von nichts kommt nichts, und es ist wirklich nicht einzusehen, daß wir das Geld für die Musikschule aus dem Fenster schmeißen!«
Mit meiner Armbanduhr war nichts mehr anzufangen. Erst war sie dauernd nachgegangen, dann hatte der Minutenzeiger seinen Dienst eingestellt, und jetzt streikte auch der Stundenzeiger.
Den Gebrauchtfernseher schloß Papa in dem einen leerstehenden Zimmer oben an, und als ich da zum ersten Mal allein die Nachrichten sah, kam die Meldung, daß Charlie Chaplin gestorben sei.
Der Mann mit der Melone. Der Mann mit der Mütze war Helmut Schön. Als welcher Mann ich wohl mal selbst in die Geschichte eingehen würde? Helmut Schmidt kannte man als Träger einer sogenannten Prinz-Heinrich-Mütze.
In der neuesten konkret -Ausgabe wurde ein Bettelbrief von Mildred Scheel zitiert, der Gattin des ehemaligen Bundespräsidenten Walter Scheel. Im Namen des Vereins Deutsche Krebshilfe e.V. hatte sie sich im voraus für Spenden bedankt, und die Redaktion erwiderte darauf:
Liebe Mildred Scheel,
auch wir danken Ihnen – für die Gelegenheit, die uns Ihr Brief bietet, endlich einmal zu sagen, was wir von einer staatlichen Ordnung halten, die der Ordenssehnsucht von Chefredakteuren, des Gequatsches von Wim Thoelke, des Fernsehballets, der Volkswagen-Verlosung und der Bahama-Reisen für zwei Personen alles inklusive bedarf, um Kranken und Behinderten zu helfen:
Nichts.
In meinem Zimmer ging ein gräsiges Gedröhne los, als Papa da die Löcher für die Wandregale bohrte. Da wäre ich am liebsten abgehauen, doch ich sollte darauf achten, ob der Schlagbohrer im rechten Winkel zur Zimmerwand stehe. Der Lärm war gewaltig, und beim Bohren flog Papa der Dreck aus der Wand um die Ohren.
Fünfunddreißig Löcher wollte Papa bohren, und ich mußte die gesamte Zeit über danebenstehen und aufpassen.
»Höher! Nein, nicht ganz so hoch! Jetzt stimmt’s!«
Die Regale saßen hinterher bombenfest.
Nach dem Sturz des Ministerpräsidenten Süleyman Demirel durch ein parlamentarisches Mißtrauensvotum war in der Türkei der bisherige Oppositionsführer Bülent Ecevit mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Da löste ein Schnurrbärtiger einen anderen Schnurrbärtigen ab. Türkische Politiker ohne Schnoddenbremse hätten sich wahrscheinlich gleich im Bosporus ersäufen können.
Am Silvesterabend wollten alle den Sketch mit dem britischen Butler sehen, der einer durchgedrehten Omi und ihren imaginären Gästen das Essen und die Getränke servierte.
Mama baute Sherrygläser auf und schenkte ein, wobei auch ich was abkriegte, und Papa sagte, daß er mit seinem Leben zufrieden sei. Das einzige, was ihn störe, sei dieser kackende Indianer an der Wohnzimmerwand.
Darauf ging Mama nicht ein. Sie sei bloß froh, daß sie im späten zwanzigsten Jahrhundert lebe und nicht in der Zukunft. Allein schon die Atomkriegsgefahr: Nachher müsse sich die Menschheit noch auf andere Planeten retten und die irgendwie kultivieren, weil die Erde in Dutt geschossen wäre. Oder diese neureichen Amerikaner, die ihren Leichnam einfrieren ließen, um in tausend Jahren mit modernster Technik aufgetaut und wiederbelebt zu werden. Da habe sie überhaupt kein Interesse dran. Wenn dann keiner mehr am Leben sei, den man kenne? Und alles voller Roboter? Ihr reiche die Technik von
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