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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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Taschenbuch mit: »Kritik der reinen Vernunft« von Immanuel Kant. Die Vorreden und die Einleitung übersprang ich, weil ich nicht dahinterstieg, und ich fing gleich mit dem eigentlichen Buch an, aber das war mir dann endgültig zu hoch. Die Sätze, die da standen, konnte ich zehnmal nacheinander lesen, ohne zu kapieren, was Kant damit gemeint hatte. Weil man ja nicht gleich aufgeben soll, las ich trotzdem weiter. Manches würde sich dann vielleicht irgendwie von selbst erklären, dachte ich, aber da hatte ich mich getäuscht. Genausogut hätte ich mir das Kursbuch von Peking vornehmen können. Nach hundert Seiten oder so kam eine Anmerkung, die ihren Einfluß auf alle nachfolgende Betrachtungen erstreckt, und die man wohl vor Augen haben muß, nämlich: daß nicht eine jede Erkenntnis a priori, sondern nur die, dadurch wir erkennen, daß und wie gewisse Vorstellungen (Anschauungen oder Begriffe) lediglich a priori angewandt werden, oder möglich sein, transzendental (d.i. die Möglichkeit der Erkenntnis oder der Gebrauch derselben a priori) heißen müsse.
    Aha. Wenn man das bei allen nachfolgenden Betrachtungen beachten mußte, um sie zu begreifen, konnte ich mir die Lektüre sparen, weil ich schon diese Anmerkung nicht verstanden hatte, ebensowenig wie die hundert Seiten davor.
    Scheißdreck.
    Ich schleuderte das Buch an die Wand.
    Tja, Herr Schlosser, dazu reicht Ihr Grips offensichtlich nicht aus. Kleist hat das alles verstanden, im Unterschied zu Ihnen. Kleist hat sich davon sogar in seine berühmte Kant-Krise stürzen lassen, während Sie hier in Ihrer Furzkoje liegen und sich ärgern, daß Sie das sinnlos für die »Kritik der reinen Vernunft« verpulverte Geld nicht in zwei oder drei halbe Liter Bier in der Stadtschänke investiert haben ...
    Ach was, auf Bier war ich nicht wild in meiner persönlichen Kant-Krise, mit der ich nicht in die Geschichtsbücher eingehen würde. Mir lief immer noch die Nase, und ich mußte lange auf Mama einreden, bis sie mir erlaubte, am Nachmittag vorm Fernseher eine Bundestagsdebatte über die geplanten Anti-Terror-Gesetze zu verfolgen, im Liegen, mit einem Federkissen im Nacken und einer Wärmflasche auf dem Bauch.
    Als Herbert Wehner sprach, ließ Philipp Jenninger von der CDU wütende Zwischenrufe los, und Wehner blaffte zurück: »Mann, hampeln Sie doch nicht so herum! Sie sind doch Geschäftsführer und nicht Geschwätzführer!«
    Der langweiligste Redner war der Freidemokrat Hans-Günther Hoppe. Wenn der den Mund aufmachte, schliefen einem die Füße ein.
    In Bonn wurde das Kabinett umgebildet: Auf Ravens, Rohde und Schlei folgten Haack (Wohnungsbau), Schmude (Bildung) und Offergeld (Entwicklungshilfe), auf Leber folgte Apel (bisher Finanzen), auf Apel folgte Matthöfer (bisher Forschung), und auf Matthöfer folgte Hauff. Mein dicker Vetter Gustav, der das Handbuch des Deutschen Bundestags auswendig kannte, hatte dieses Revirement wahrscheinlich mit größter Aufmerksamkeit registriert und sich alle neuen Namen eingeprägt.
    In der blöden Bettdecke rutschten die Federn nachts immer alle ans Fußende, so daß ich unten einen dicken Wumpelhaufen hatte und oben nur so’n dünnen Lappen.
    Wenn man den Spiegel abonnierte, kriegte man ein Reprint der allerersten Ausgabe von 1947 geschenkt, aber Mama wollte kein Abonnement. Sie schrieb lieber einen Bettelbrief: Wären Sie vielleicht so freundlich, meinem Sohn, der Ihr Magazin sehr gern liest, das Reprint zu schenken? In diesem Stil. Und siehe da, eines Tages, als ich noch grippal infiziert im Bett lag, präsentierte Mama mir dieses Heft: »Na, was hab ich gesagt?«
    Es war dann leider nicht besonders interessant. Die meisten Prominenten von damals kannte man gar nicht mehr, und die politischen Probleme der frühen Nachkriegszeit, naja. Landesregierungsbildung in Bayern, Wandel in der dänischen Haltung zur »Südschleswig-Frage«, eine Geliebte des Duce vor Gericht und Unruhen in Indochina. Da hatte sich wohl irgendwie schon der Vietnamkrieg angebahnt.
    Weiter hinten gab’s Reklame für Gesichtspuder, Reinigungscreme und Wimperntusche, mit einem Hinweis auf den Schatten unserer schicksalsschweren Zeit: Gerade darum sei es wichtig, durch eine sorgfältig abgestimmte Körperpflege das Lebensgefühl zu steigern.
    Da griff ich doch lieber wieder zu meinen Büchern.
    1811 hatte Kleist Selbstmord begangen, irgendwo am Kleinen Wannsee in Berlin, zusammen mit irgendeiner Frau, und zwar »zufrieden und heiter«, wie es in dem

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