Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
in Gestalt von Kim und Norman bemerkbar.
»How do you do?«
»I’m standing here with my carnation hidden by the packages«, wollte ich sagen, doch bevor ich diesen kleinen Gag in voller Länge anbringen konnte, kamen mir Onkel Bob und Tante Luise in die Quere, und aus dem Wohnzimmer tänzelte eine Dulcinea mit einem Tablett voller Sektkelche herbei.
»Wer will nochmal, wer hat noch nicht?« rief Volker.
Mir wurde es irgendwann zu bunt, und ich ging in den Garten. Die alte Sandkiste und die alte Schaukel, die existierten noch, und auch die windschiefe Holzhütte, in der Oma früher die Spinnweben mit den Fingern aufgerollt hatte, aber von dem Bauernhof am Ende des Grundstücks war nichts mehr zu sehen. Der war schon vor langer Zeit abgerissen worden. Durch den Maschendrahtzaun hatte man den Schweinen da einst die verfaulten Gartenäpfel zuwerfen können, und die blöden Viecher hatten jeden noch so wurmstichigen braunen Apfel mit Begeisterung verschlungen. Jetzt wurde dort ein Mehrfamilienhaus gebaut.
Erst als sich die Völkermassen größtenteils verlaufen hatten, konnte man die vielen in der Diele aufgetürmten Geschenke bewundern. Die niedersächsische Landesregierung hatte sich einen Schmuckteller mit aufgepinselter Rose vom Herzen gerissen. Außerdem gab’s massenweise Tafelsilber, eine Tortenplatte mit Ständer zum Drehen, gläserne Kerzenhalter, Weine, Sherry, Dry-Sec, After Eight und einen Riesenhaufen Blumen, bei dessen Anblick Tante Therese die Hände über dem Kopf zusammenschlug: »Ach Gott! Da wär’s ja bald besser gewesen, wenn jeder Zweite als Geschenk ’ne Vase mitgebracht hätte! Kinder, Kinder! Aber laßt mal sehn, was haben wir denn da ... Nelken, Orchideen, Hortensien ... Azaleen, Gladiolen ... Gloxinien ... Tulpen, Anthurien ... lachsfarbene Rosen ... und dahinten noch ’n Usambaraveilchen ... und ein gelber Hibiskus, ach Gottchen ...«
Tante Dagmar reichte währenddessen eine Seite aus dem Jeverschen Wochenblatt herum.
Beim Singen kennengelernt – Ehepaar Gepke und Emma Lüttjes feiern morgen »Goldene«
Diese Überschrift brachte Tante Luise in Rage: »Ehepaar ist immer noch Singular, auch wenn es aus zwei Eheleuten besteht! Sonst könnte man ja auch sagen: Ein Paar feiern Hochzeit! Wo haben diese Klippschüler denn bloß ihr Deutsch gelernt?«
»Das ist mir noch gar nicht aufgefallen«, sagte Tante Dagmar. »Da könnt ihr mal sehen, wie verblödet ich inzwischen bin, nach den ganzen Jahren im Funkhaus ...«
Dann taperte Opa durchs Wohnzimmer, und Tante Luise rief ihm zu: »Vati, hör mal, was hier steht: Ehepaar Gepke und Emma Lüttjes feiern morgen ›Goldene!‹ Das müßte doch ›feiert‹ heißen!«
Opa legte sich lächelnd die Hand hinters Ohr und sagte: »Wie bitte?«
»Hier steht: Ehepaar Gepke und Emma Lüttjes feiern morgen ›Goldene‹! Aber da müßte ›feiert‹ stehen! Weil Ehepaar kein Plural ist!«
Opa beugte sich vor und bat um eine Wiederholung der Auskunft.
Tante Luise seufzte und blickte einmal stumm herum, aber dann riß sie sich zusammen und schrie Opa an: »Hier steht: Ehepaar Gepke und Emma Lüttjes feiern! Nicht ›feiert‹, sondern ›feiern‹! Es müßte aber ›feiert‹ heißen! Weil ihr als Ehepaar dritte Person Singular seid! Und nicht dritte Person Plural!«
Es war Opa anzumerken, daß er immer noch nicht kapiert hatte, was Tante Luise ihm verklickern wollte, und Mama rief: »Nun laß ihn man, das ist doch nicht so wichtig jetzt ...«
Vor der großen Feier im Schützenhof gönnten sich Oma und Opa noch etwas Bettruhe. Die Engländer, Tante Dagmar, Tante Gisela und deren Kerl, der fiese Dellbrügge, waren schon einen Tag vorher angereist, und Tante Gisela erzählte, daß Oma zur Beköstigung ihrer Gäste gerade mal mickrige drei Flaschen Amselfelder besorgt habe. »Von Edeka! Und ich sag: ›Mutti, das ist nicht dein Ernst!‹ Und da kuckt sie mich groß an und sagt: ›Wieso? Glaubst du, damit kommen wir nicht aus?‹«
Tante Dagmar mußte ihre Teetasse abstellen, um sie nicht überschwappen zu lassen beim Lachen.
»Ich bin dann gerade noch zur rechten Zeit losgeschossen, um den Vorrat aufzustocken, sonst hätten wir hier gestern ab halb neun auf ’m Trockenen gesessen«, sagte Tante Gisela und tippte sich an den Kopf. »Ich mein’, wir leben doch nicht mehr in der Nachkriegszeit, wo man jeden Pfennig dreimal umdrehen mußte! Ich bitte euch! Drei Flaschen Wein für acht Personen, und dann auch noch Amselfelder! Liebe Leute! Aber
Weitere Kostenlose Bücher