Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Und von dem Nationalspieler Erich Beer stammte die Auskunft: »Es belastet mich auf keinen Fall, daß dort gefoltert wird. Wenn ich in Deutschland spiele, denke ich ja auch nicht daran, daß da im Krieg viele umgekommen sind.«
Wie konnte man nur so beschränkt sein?
Auf die Fahnenträger, die bei der Eröffnungsfeier durch das Stadion latschten, hätte ich prima verzichten können. Es wurden dann noch scharenweise Tauben freigelassen, bevor wir endlich gegen Polen spielten. Von der WM ’74 waren mir Deyna, Lato und Szarmach wohlvertraut. Und natürlich Tomaszewski, der Elfmetertöter.
Gleich in der zweiten Minute verlud Hansi Müller zwei polnische Abwehrrecken und paßte zu Klaus Fischer, aber der verstolperte den Ball
Rüdiger Abramzcik spielte rechtsaußen. Wie der sich wohl freute. Aber wo war Bernard Dietz geblieben? Den hatte Helmut Schön nicht aufgestellt.
Kaltz und Rüßmann leisteten sich haarsträubende Fehlpässe. Ohne die Paraden von Sepp Maier hätten wir schon bald im Rückstand gelegen. Der gute Heinz Flohe war eben doch kein Overath und kein Netzer und Klaus Fischer kein Gerd Müller. Das Verrückteste war ja, daß Franz Beckenbauer nur deshalb nicht mitspielen durfte, weil die Hornochsen vom DFB ihm nicht verzeihen konnten, daß er zu Cosmos New York gewechselt war. Aus unerfindlichen Gründen fehlten außerdem Grabowski, Toppmöller und Burgsmüller im deutschen Kader. Das Ergebnis sprach für sich: 0:0 zur Halbzeit, 0:0 am Ende. Und auf so ein lahmes Gekicke hatte man sich nun vier Jahre lang gefreut.
Neben Mathe mußte man in der reformierten Oberstufe noch ein naturwissenschaftliches Fach wählen. Ich entschied mich für Bio, weil es da hoffentlich nicht ganz so viel zu rechnen gab wie in Physik und Chemie.
Es wurde auch ein Kochkurs angeboten, und ich meldete mich an. Warum nicht? Dabei würde ich mal was fürs Leben lernen und nicht nur fürs Abitur. Und wenn Michaela Vogt auf den gleichen Gedanken kommen sollte, könnten wir vielleicht im selben Kochtopf rühren. »Martin, hievst du mir mal diesen schweren Pott vom Herd? Und was meinst du, muß da noch mehr Salz dran?« Ich würde heiße Gemüsebrühe von einem Eßlöffel schlürfen, den Michaela mir hinhält, und danach würde sie selbst davon kosten. »Geht doch, oder? Oder fehlt da noch ’ne Prise Pfeffer?«
»Casablanca« hatte Mama, wie sie sagte, wohl schon drei- oder viermal gesehen, »aber das tu ich mir gern auch ein fünftes Mal an«. In diesem Film spielte Humphrey Bogart einen verbitterten Einzelgänger, der von der großen Liebe seines Lebens (Ingrid Bergman) sitzengelassen worden ist und seither so tut, als ob er ein Herz aus Stein besitze, aber als er sie wiedersieht, kann er nicht anders: Er greift zur Flasche und bricht vor lauter Gram und Verzweiflung zusammen. Doch dann ermannt er sich und verhilft seiner verflossenen Geliebten und ihrem Mann, einem Widerstandskämpfer, zur Flucht vor den Nazis.
Welch ein Schicksal. Schwer zu ertragen, vermutlich, aber dafür eben auch groß und gewichtig.
Hearts full of passion
Jealousy and hate ...
Und wie hundsgewöhnlich nahm sich dagegen mein eigenes Schicksal aus! Meppen war nicht Casablanca, 1978 war nicht 1942, Martin Schlosser war nicht Humphrey Bogart, und die Stadtschänke war weißgott alles andere als Rick’s Café.
In der Nacht entlud sich ein Gewitter. Der Wind heulte ums Haus und knallte unten irgendwelche Fenster zu, die wir zu schließen vergessen hatten. Ich wollte mich darum kümmern, aber da sah ich Mama schon in ihrem weißen Morgenmantel die Treppe hinunterhuschen.
Papa schnarchte im Ehebett wie ein Grizzly-Bär, den solche Kleinigkeiten nicht erschüttern konnten.
Als sich das Gewitter ausgetobt hatte, ging ein schwerer, rauschender Regen nieder. Herrlich, sich in eine warme Bettdecke zu kuscheln und ein Dach über dem Kopf zu haben und die nächtlichen Naturschauspiele nur akustisch wahrzunehmen.
Unkrautschöveln, während einem die scheißheiße Junisonne auf den Pelz brannte und Schweden gegen Brasilien spielte, das war schon was anderes. Herregott! Ich war ja doof, aber in meinem gesamten ferneren Leben würde ich nicht so stockdoof sein, mir einen Garten aufzuhalsen, den ich während einer WM beackern müßte.
In einem Western, der im Zweiten lief, erschoß Jesse James den Mörder seiner Mutter und wurde dann selbst als Mörder gejagt, obwohl er am liebsten in Frieden leben wollte, als braver Familienvater und nicht als Outlaw, und am Ende
Weitere Kostenlose Bücher