Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
kleinen Bieren hinunterspülen.
Sie sei ja baß erstaunt, im Funkhaus noch so viele alte Haudegen anzutreffen, sagte Mama. »Und alle erzählen sie einem, daß man ja gaaar nicht älter geworden sei ...«
Zum Schluß spendierte uns der Ober eine Runde Ouzo. Das war ein Schnaps, der einem die Speiseröhre verätzte.
In Persien beziehungsweise im Iran herrschte der Ausnahmezustand: Das Volk rebellierte gegen den Schah und dessen Regime, und es kam zu schweren Zusammenstößen zwischen Militärkräften und Demonstranten. Wie es den verhafteten Aufrührern wohl erging, in den Folterkellern der Geheimpolizei, während unsereiner gemütlich im Heiabett lag, mit ’ner schmächtigen Mücke als einzigem Störenfried ...
Mir hätten die Typen vermutlich nur mal eben ihre Folterinstrumente zeigen müssen, und ich hätte alles gestanden, ganz egal was. Und wenn Michaela Vogt und ich da in einer Untergrundorganisation zusammengearbeitet hätten, und ich wäre den Bullen in die Hände gefallen? Ob ich dann tapferer gewesen wäre? Hätte ich mir die Fingernägel herausreißen lassen und vielleicht auch noch sämtliche Zehnägel, ohne Michaelas Versteck preiszugeben?
Sie quälten ihn auf jede nur denkbare Weise und fügten ihm unvorstellbar grauenhafte Torturen zu, doch Martin Schlosser (16) blieb unbeugsam: Seine Liebe zur gleichaltrigen Michaela Vogt, der jungen Heroine des Widerstands gegen die Willkürherrschaft, war größer als die entfesselte Staatsgewalt und auch größer als alle Schmerzen, die er mannhaft ertrug, um seine Geliebte zu schützen ...
Oder hätte ich Michaela verraten, um mich selber zu retten?
Hoffentlich purzelte dieses Arschloch von Schah nun bald von seinem Pfauenthron herunter und landete mit der Fresse so tief wie nur irgend möglich im Dreck.
Auf dem Flohmarkt bot ein Knabe alte Spiegel -Ausgaben feil, für fünfzig Pfennig das Stück, und ich kaufte sie ihm ab und schleppte meine Beute schwitzend durch die halbe Stadt bis hin zu Tante Dagmars Wohnung. Zu den Heften, die ich erworben hatte, gehörten auch die berühmten Nummern aus der Zeit der Spiegel -Affäre im Herbst 1962, mit dem Artikel über die bedingte Abwehrbereitschaft der Bundeswehr und allen Berichten über den Versuch der Bundesregierung, die Redaktion mundtot zu machen. Der Spiegel -Chef Rudolf Augstein war damals ins Gefängnis gesperrt geworden, und es hatte einen Aufstand gegeben wie nie zuvor.
Mama lud mich zu einer Freilichtaufführung der »Dreigroschenoper« in den Herrenhäuser Gärten ein. In dem Stück trat eine Arbeiterin auf, die sich ausmalte, wie es wäre, wenn sie die Macht hätte, über Leben und Tod zu gebieten:
Und an diesem Mittag wird es still sein am Hafen
Wenn man fragt, wer wohl sterben muß.
Und dann werden Sie mich sagen hören: Alle!
Und wenn dann der Kopf fällt, sag ich: Hoppla!
An dieser Stelle mußte Mama lachen, und dann fing es leider zu nieseln an. Zuerst nur ein bißchen, aber dann immer stärker, und irgendwann hielten wir’s beide nicht mehr aus und hauten ab.
Am ersten Spieltag der neuen Bundesligasaison war Gladbach vom HSV 3:0 geschlagen worden. Wie gut, daß ich mit diesem Thema durch war. Von mir aus hätte Gladbach in die Amateurliga absteigen können; das hätte mir gar nichts mehr ausgemacht.
Im Sonntagsnachmittagsprogramm lief ein Beatles-Film mit dem deutschen Titel »Hi-Hi-Hilfe«, und da hätte ich sie mal wieder knuddeln können, die Beatles. In den Film waren diverse Halunken hinter einem von Ringos Fingerringen her, der angeblich magische Kräfte besaß, aber auf die Handlung kam es gar nicht an. John, Paul, George und Ringo hätte man als große Brüder haben müssen! Die hätten Schwung in die Bude gebracht!
Keine reine Freude hatte ich dagegen an der Verfilmung der Novelle »Aus dem Leben eines Taugenichts«, weil da Mama im Kino neben mir saß. Man sah einmal ein nacktes Aktmodell, und in einer anderen Szene wurde der nackte Taugenichts in einem Badezuber von mehreren Mägden gewaschen und abgerubbelt.
Am Tag meiner Abfahrt traf mittags eine Postkarte von Oma Jever ein.
Lieber Martin! Wie gut, daß wir hier in Jever nicht hören konnten, was Du wohl schon für Verwünschungen ausgestoßen hast über diese verkalkten Großeltern, die vergessen haben, Deinen Film abzuholen! Heute früh ist Opa sofort nach dem Frühstück los, und nun ist der Laden für eine Woche geschlossen – wegen Todes des Inhabers! Also können wir erst Montag den Film abholen. So ist die
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