Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
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In den Ferien hatte Hermann wieder einen Haufen Geld verdient, als Handlanger auf dem Bau. »Arbeit gibt’s auch im Moor oder im Ölwerk«, sagte Hermann. Er werde sich mal umhören. »Aber ob die da einen minderjährigen Brillenträger einstellen ...«
Mir war schon klar, daß ich in dieser Hinsicht schlechte Karten hatte. Für Hermann stellte das Jobben kein Problem dar, weil sein einer Onkel ein Bauunternehmen besaß.
Bei Meyer war das bestellte Buch von Konfuzius noch immer nicht eingetroffen. Da konnte die Belegschaft nur mit den Achseln zucken.
Den neuen Plan, ein Grundstück in Jever zu kaufen und ein neues Haus zu errichten, legten Mama und Papa unmittelbar nach seiner Entstehung wieder auf Eis, weil Mama keine Lust dazu hatte, jahrelang eine Wochenendehe zu führen.
Und wer dachte an die Kinder? Mir hatten ja schon die Malessen mit dem Hausbau auf dem Mallendarer Berg genügt. Und jetzt noch einmal so ein Kraftakt?
Irrsinn, dein Name ist Schlosser.
In Latein motzte der Dahlke über ein knutschendes Pärchen, das ihm angeblich vor die Augen gekommen sei, wie es sich auf einer Parkbank gegenseitig den Schnött aus der Nase gelutscht habe, und über das Emsland: Das hätten die Römer abstoßend gefunden. Nichts als Moore, Schlamm und Nebel. Horribilis!
Da müssen Welten aufeinandergeprallt sein – hier die zivilisierten Römer und dort die analphabetischen Brechmänner aus dem Norden, also die Ururahnen der Herren Dralle, Niebold, Albers, Harms & Co. Als Germane wäre ich sofort zu den Römern übergelaufen.
Von Michael kam eine Postkarte.
Hallo!
Dies ist keine Sparmaßnahme, sondern die Auswirkung eines absoluten Ereignisnotstands in Vallendar. Es ist absolut nichts los. Daher ist es unmöglich, einen Brief zusammenzukriegen. Und weil ich nicht solange warten will, bis was passiert (wer weiß, ob ich in fünfzig Jahren noch lebe?), schreib ich eben diesen Ersatzbrief. Außerdem will ich so schnell wie möglich Deinen Reisebericht lesen.
Ob ich wohl wenigstens diese Postkarte vollkriege? Das wird mir doch wohl noch gelingen! Wäre ja gelacht.
Aber womit? Was, um Himmels willen, soll ich schreiben? Die Langeweile hat mein Gehirn restlos lahmgelegt. Wieviel ist 3 + 4? 5, mehr kann ich an den Fingern nicht abzählen, denn ich muß ja noch den Füller halten..
So steht es um mich. Viel schlechter als sonst auch wieder nicht. Aber das kennst Du ja schon. Warst ja eben erst hier.
Also, schreib zurück!
Wenn Michael dachte, daß ich ihm eine aufregende Reisereportage liefern könne, dann hatte er sich leider getäuscht, denn es gab von meiner Reise nach Meppen nicht das allerkleinste bißchen zu berichten, wenn man davon absah, daß ich ab Münster zwischen zwei dicken Frauen saß, von denen die eine einen Käfig mit einem Meerschweinchen auf dem Schoß gehabt hatte.
Auf einem der Fensterplätze hatte bis Rheine eine schöne junge Frau mit dunklem Pferdeschwanz gesessen und ein Fischer-Taschenbuch gelesen: Sigmund Freud, »Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie«. Und das, obwohl das Abteil voll besetzt war und jeder den Titel des Buchs erkennen konnte.
Ihren Pferdeschwanz hatte die Frau mit einem roten Gummiband gebündelt, und was mir am besten gefiel, waren die tiefbraunen Augen und der Haarflaum über der Nackenhaut hinter dem linken Ohr. Wenn diese Frau beim Aussteigen zu mir gesagt hätte: »Wir kennen uns nicht, aber ich möchte, daß du jetzt mitkommst«, dann wäre ich ihr gefolgt. Auf dem Fuße! Doch das hatte sie natürlich nicht gesagt, und ich sah ihr nach, wie sie mit ihrem Lederrucksack über der Schulter die Bahnsteigtreppe hinunterging, während der Zug wieder anfuhr.
Um Michael zu ärgern, stopfte ich in den Umschlag meines Antwortbriefs die Fetzen eines tintebeschmierten Löschblatts mit hinein.
Frankiert hatte ich den Brief mit zwei unabgestempelten Markenhälften.
Nach dem Briefeschreiben verließ ich mein Zimmer, und da wußte ich auf einmal schon wieder nicht mehr, was ich gewollt hatte. Erst als ich zurückgegangen war, fiel mir wieder ein, daß ich Volker fragen wollte, ob wir Tischtennis spielen könnten, aber Volker mußte irgendwas an seinem kackigen Motorrad ausbessern und hatte keinen Bock.
Werte und Normen. Der kategorische Imperativ des Immanuel Kant:
Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.
Man sollte also weder stehlen noch morden und auch niemanden aufs Kreuz legen, sondern
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