Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
sich stets vorbildlich und gemeinschaftsdienlich verhalten. Doch was war, wenn man die Lust dazu verspürte, sich in Rheine auf ein Abenteuer mit einer wildfremden Frau einzulassen, obwohl man in eine Mitschülerin verliebt war und davon träumte, die irgendwann zu heiraten? Während die noch gar nichts davon wußte und möglicherweise auch nichts davon wissen wollte? Hätte man dann frei schalten und walten dürfen?
In einer Vertretungsstunde schrieb ein Deutschlehrer, den ich nicht kannte, ein Gedicht von Matthias Claudius an die Tafel:
Ach, es ist so dunkel in des Todes Kammer,
Tönt so traurig, wenn er sich bewegt
Und nun aufhebt seinen schweren Hammer
Und die Stunde schlägt.
Wir sollten mal auf die Vokale achten: In den ersten fünf Wörtern seien alle fünf Vokale vertreten, und sogar in der Reihenfolge, in der sie auch im Alphabet stünden. »Ach, es ist so dunkel: a, e, i, o, u.«
Na gut. Aber dann Bio: Adenosintriphosphat, semipermeable Membranen und die Diffusionsgeschwindigkeit einer einprozentigen Fluoreszinlösung in 20 °C warmem Wasser, das kotzte mich alles derartig an, daß ich eine Klausur mit null Punkten zurückbekam.
Null Punkte: Das war nach der alten Notenordnung eine glatte Sechs.
Wer zu faul zum Lernen sei, der bekomme von ihm die Quittung, sagte der Kleinschmidt, und nun mußte ich für Bio büffeln. Alles über Basensummen, Zuckermoleküle, Phosphatgruppen und Pyrimidinbasen, auch wenn mir John, Paul, George und Ringo tausendmal lieber waren als Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin.
Desoxyribonukleinsäure. Was für ein Wort! Und dann noch Basentripletts und Peptidketten ...
Einen Button hätte ich mir basteln sollen, mit der Aufschrift »I like Ribosom«, und damit in die Schule gehen. Dann hätte der Kleinschmidt mir vielleicht einen Punkt gegeben.
Das Buch mit den Weisheiten von Konfuzius war da, doch ich stieg nicht dahinter, was der sich vor 2500 Jahren so alles gedacht hatte. Viel lieber wäre ich nach Rheine abgehauen, zu der schönen Frau mit dem Pferdeschwanz und dem wachen Interesse an der Sexualtheoerie.
Die Jugoslawen wollten die verhafteten Terroristen nicht an die Bundesrepublik ausliefern. Oma Jever fand das unerhört, aber wenn man sich vergegenwärtigte, was Opa Jevers Wehrmachtskameraden auf dem Balkan angerichtet hatten, sah die Sache etwas anders aus.
Als Hauptmann der Wehrmacht hatte Opa Jever ja nun wohl doch einen weitaus übleren Verbrecherhaufen herumkommandiert als die RAF.
Was ich am Blätterharken am meisten haßte, war das Abzupfen der nassen aufgespießten Blätter von den Zinken der Harke im Schmuddelwetter.
Irgendwo im Dschungel von Guyana in Südamerika hatten sich achthundert oder neunhundert Mitglieder einer religiösen Sekte namens »Tempel des Volkes« umgebracht, mit Zyankali.
Die waren doch wohl nicht mehr ganz richtig gewesen im Kopf. Was sollte denn der Kappes? Sich abzumurksen, obwohl man gesund war und sich auf unzählige One-Night-Stands freuen konnte? Da nahm man sich doch nicht einfach so das Leben, wenn man nicht total bescheuert war?
Renates und Olafs Vermieter wollten ihre Metzgerei dichtmachen. Sie hätten das Haus auch schon verkauft, erzählte Renate Mama am Telefon, an einen Vogelhändler, und weil der alles für sich selbst beanspruche, müßten Renate und Olaf ausziehen. In Bonn würde sie nur ein Trauschein zum Erwerb eines Wohnberechtigungsscheins ermächtigen, und der sei die Voraussetzung für eine einigermaßen preiswerte Bleibe. Daher wollten Renate und Olaf nun standesamtlich heiraten und die kirchliche Trauung irgendwann nachholen, mit großer Feier.
Ob Renate sich das wohl alles auch gut überlegt hatte? Wozu sie führen konnte, die Heiraterei, das hatten wir ja nun lange genug erlebt. An Renates Stelle wäre ich vorsichtiger gewesen. Aber andererseits ... mit ihrem Olaf war Renate gut bedient, und der würde nicht auf die Idee kommen, sich nach dem ersten Ehekrach für immer in ein Kellerzimmer zurückzuziehen.
Als Hochzeitsgeschenk wollten Mama und Papa dem Paar einen neuen Herd spendieren. Sich selbst hatten sie einen neuen Gefrierschrank gekauft, ein Dingsdabumsda von ungeheuren Ausmaßen, das im Keller disloziert wurde.
Nach dem Frühstück wollte ich den Hamstern frisches Wasser geben, und da waren sie alle ausgekniffen. Der Deckel war nicht richtig zu gewesen. Scheiße.
Zwei bis drei der Biester hatte ich schnell gefaßt, und dann holte ich mir Verstärkung.
Mama, Papa, Wiebke, Volker und ich
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