Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
mich?
Es gab aber auch aufwühlende Verse:
Vergiftet sind meine Lieder; –
Wie könnte es anders sein?
Ich trage im Herzen viel Schlangen,
Und dich, Geliebte mein.
Kim rief an: Therese liege im Krankenhaus. Sie sei inzwischen außer Lebensgefahr, aber eine Zeitlang habe sie zwischen Leben und Tod geschwebt. Am Samstagabend sei sie von einem Nachbarsjungen niedergestochen worden.
Mama klemmte sich an den Apparat und telefonierte mehr als zwei Stunden lang hin und her zwischen Basildon, Jever, Hildesheim, Hannover und jeder anderen Stadt, in der irgendeine blutsverwandte Seele wohnte. Was diesen Knaben dazu verleitet hatte, Tante Therese ein Messer in den Leib zu rammen, wußte niemand.
Mama wollte jedenfalls so schnell wie möglich nach England, um ihr beizustehen.
Während Mama ihre Reisevorbereitungen traf, kamen allabendlich neue Bulletins von Kim, mit beruhigenden Nachrichten über Tante Thereses Befinden, aber davon ließ sich Mama nicht beirren: »Ich laß doch meine Schwester nicht im Stich, wenn die auf den Tod darniederliegt!«
Am fünften Tag nach dem Überfall fuhr sie ab.
Der italienische Spielfilm »Der Duft der Frauen« lief im normalen Abendprogramm nach der Tagesschau , und da durfte man nicht zuviel erwarten. Inhalt: Ein blinder alter Militarist läßt sich auf seinen Reisen von einem jungen Assistenten begleiten und doziert dabei unentwegt über Frauen. Die kann er schon von ferne riechen. Einmal muß ihm der Jüngling eine Prostituierte aussuchen, und ein anderes Mal halten sie sich in einer Bar mit Oben-ohne-Bedienung auf.
Und dafür hatte ich anderthalb Stunden meines Lebens geopfert. Den Regisseur und den Drehbuchautor hätte man von mir aus in einem brodelnden Fonduekessel versenken können, mit einem Gewicht an den Füßen!
Spätabends rief Mama an. Tante Therese würde schon wieder lächeln, aber die Zustände in dem Krankenhaus spotteten jeder Beschreibung. Und zum Tathergang: Der Kerl von nebenan habe Tante Therese telefonisch darum gebeten, eben mal rüberzukommen und ihm aufzuhelfen, weil er die Treppe runtergefallen sei. Sie also freundlich und hilfsbereit zu ihm hin, und dann habe er mit einem Hockeyschläger auf sie eingedroschen und mit einem Messer auf sie eingestochen, insgesamt vierzehnmal, und dabei auch die Leber durchstochen, so daß akute Lebensgefahr bestanden habe.
Fünfzehn Jahre alt sei dieses Bürschchen.
Und zu Tante Therese Gesundheitszustand: »Beschissen wäre geprahlt. Aber sie wird durchkommen.«
Danach rief Papa in Jever an, um Oma zu informieren. »Mach dir mal keine Sorgen, Mutti. Therese geht’s den Umständen entsprechend gut ...«
Seltsam, Papa zu seiner Schwiegermutter »Mutti« sagen zu hören.
Unter der Leitung des alten Dahlke sollte der Lateinkurs dem Römisch-Germanischen Museum in Köln einen Besuch abstatten. Hin mit dem Zug und zurück mit dem Zug. Ich hatte mir vorgenommen, mich morgens in das Abteil zu mogeln, für das sich auch Maren Hohoff entschied, denn irgendwie mußte man sich ja mal näherkommen, und im Unterricht saß sie ganz woanders als ich.
Dann war aber irgendwas mit dem Wecker nicht in Ordnung. Als ich aufwachte und schläfrig das Zifferblatt untersuchte, stellte ich zu meinem Entsetzen fest, daß der Scheißwecker nicht geklingelt hatte und daß mir genau noch achteinhalb Minuten blieben, um aufs Klo zu gehen, mir die Zähne zu putzen, mich zu kämmen, mich anzuziehen, zu frühstücken, mich aufs Rad zu schwingen, zum Bahnhof zu fahren und den Zug zu besteigen.
Unmöglich. Aus. Ich sackte zurück ins Bett und verfluchte den Wecker.
Mama hätte mich gar nicht erst so lange pennen lassen, aber die war ja in England.
Achteinhalb Minuten. Oder jetzt noch acht. Wenn ich alles strich bis auf das Anziehen und den Fahrradspurt zum Bahnhof, konnte ich es vielleicht doch noch packen ... und mit Maren Hohoff anbandeln ...
Auf, auf! Zack, Schlafanzug aus, zong, Unterbüx an, Strümpfe an, Jeans an, Reißverschluß zu, Knopf zu, Hemd an – stinkt? egal – Pullover drüber, Schuhe an, Schnürsenkel zu, Treppe runter, galoppi, galoppi – im Flur stand Papa und fragte, was denn in mich gefahren sei – keine Zeit für Geplauder – Parka über den Buckel, die Kellertreppe runter, das Fahrrad nach oben bugsieren und los, los, los! Carpe diem!
Für die penible Einhaltung aller Regeln der Straßenverkehrsordnung gab mein Zeitkontingent nicht genug her. Rote Ampel? Pfft! Das hier war der Giro d’Italia, Abteilung Meppen, und
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